Das Aufkommen von Basistechnologien in der Vergangenheit bietet Einblicke in mögliche Auswirkungen des Diffusionsprozesses der generativen künstlichen Intelligenz (KI). Hierzu gehören drei Lehren für die Transformation: die Vorteile der Augmentierung von Arbeit, die Geschwindigkeit des Rückkopplungszyklus zwischen fortlaufender technischer Verbesserung und Innovation in Anwendungsbereichen und die Möglichkeit eines J‑Kurven-Effekts auf die Produktivität.
Was bedeuten diese drei empirischen Beobachtungen für die Technologieentscheidungen eines Versicherers im generativen KI‑Einführungsprozess? Wie können Führungskräfte die Verbreitung dieser Technologie im Unternehmen steuern?
Die Vorteile der Augmentierung von Arbeit
Das Aufkommen der generativen KI bietet Möglichkeiten zur Automatisierung. Automatisierung kann die Arbeit augmentieren, indem sie die Fähigkeiten der Menschen ergänzt, und Automatisierung kann menschliche Arbeit bei der Ausführung einzelner Tätigkeiten substituieren.1
Erik Brynjolfsson, ein Wissenschaftler der Stanford University, der sich mit Prozessen der Technologieverbreitung befasst, regt an, sich vorzustellen, dass das antike Griechenland in der Lage gewesen wäre, alle wirtschaftlichen Aufgaben zu automatisieren, indem es Arbeit durch Technologie ersetzte und somit auf eine zukünftige Augmentierung der Arbeit verzichtete. Die Gesellschaft hätte zwar dauerhaft von der zusätzlichen Freizeit profitiert, die durch den Wegfall der Arbeit entstanden wäre, aber der Lebensstandard hätte sich nicht weiter erhöht – bis heute gäbe es in dieser Gesellschaft weder das Auto noch den Computer noch die moderne Medizin.2
Die Geschichte der Automatisierung zeigt, dass zwar sowohl Substitution als auch Augmentierung vorkommt, Letztere aber einen weitaus größeren wirtschaftlichen Nutzen bietet. Wir können beobachten, wie die Einführung von Basistechnologien von den Anfängen der industriellen Revolution (z. B. die Dampfmaschine) bis in die Neuzeit (z. B. Elektromotor und Halbleiter) die menschliche Arbeitskraft erheblich augmentiert hat. Eine Folge davon ist, wie Brynjolfsson anmerkt, dass der Wert einer Stunde menschlicher Arbeit in Kaufkrafteinheiten heute mehr als zehnmal so hoch ist wie im Jahr 1820.
Das Gedankenexperiment einer statischen Gesellschaft deutet darauf hin, dass Substitution von Arbeit ein Konzept ist, das einmalige und sofortige Gewinne bringt. Augmentierung von Arbeit hingegen ist ein dynamisches Konzept, das im Laufe der Zeit immer wieder Produktivitätsgewinne bringt. Die Vernachlässigung der größeren dynamischen Vorteile der Augmentierung zugunsten der geringeren statischen Vorteile der Arbeitssubstitution ist als eine Turing-Falle bekannt.3
Die Geschwindigkeit des Rückkopplungszyklus
Basistechnologien werden als Technologien definiert, die weitreichend Anwendung finden, sich technisch laufend verbessern und Innovationen in Anwendungsbereichen ermöglichen.4 In dem Maße, in dem sich die generative KI verbessert, profitiert der Versicherer von zusätzlichen Möglichkeiten zur Ko‑Innovation bei Anwendungen und der Gestaltung von Arbeitsabläufen. Die Geschwindigkeit dieses Rückkopplungszyklus zwischen technischer Verbesserung und nachgelagerter Innovation dürfte bei generativer KI höher sein als bei älteren Basistechnologien wie der Dampfmaschine, der Elektrizität oder der elektronischen Datenverarbeitung.5
1996 veröffentlichten Timothy Bresnahan (Stanford University) und Shane Greenstein (University of Illinois, jetzt Harvard University), beide Wissenschaftler auf dem Gebiet der Technologiediffusionsprozesse, eine bahnbrechende Studie über die Umstellung US‑amerikanischer Unternehmen von Mainframe-Computing zu C/S‑Computing (Client/Server).6 Die Forscher stellten fest, dass der Hauptengpass bei der Einführung und Nutzung von C/S‑Computing die Kosten für die Ko‑Innovation waren. Infolgedessen waren die Unternehmen, die den Übergang am langsamsten vollzogen, jene, für die die Kosten der Umstellung am höchsten waren, statt jene, für die der Nutzen der Umstellung am geringsten war.
Die Studie über die Verbreitung von C/S‑Computern enthält eine wichtige Lehre für die Technologieentscheidungen von Versicherern. Die Theorie der Realoptionen hat Grundsätze für die Entscheidungsfindung hervorgebracht, die die Bedeutung von Lernen und Irreversibilität hervorheben. Dabei bezieht sich das Lernen auf die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts und die Irreversibilität auf die Kosten der Ko‑Innovation. Realoptionsprinzipien begünstigen Wahlentscheidungen im Technologiebereich, die ein hohes Maß an Reversibilität fördern und die Optionen, die dem Entscheidungsträger in der Zukunft zur Verfügung stehen, erweitern. Beide Aspekte begünstigen niedrige Kosten der nachgelagerten Innovation und damit eine frühzeitige Adoption des technologischen Fortschritts.