Die Anzahl der Krebsdiagnosen steigt seit Jahren stetig an. Nach Schätzungen der International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrug die Zahl der weltweiten Krebsneuerkrankungen im Alter zwischen 0 und 90 Jahren im Jahr 2020 19,3 Millionen.1 Über 628.000 Fälle davon traten allein in Deutschland auf.2 Schätzungen der WHO zufolge wird die Krebsinzidenz in den nächsten 20 Jahren weltweit um weitere 10 Millionen auf etwa 30,2 Millionen Neuerkrankungen ansteigen.3 Krebs gehört auch immer noch zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Allein im Jahr 2020 starben schätzungsweise 9,9 Millionen Menschen weltweit an einer Krebserkrankung.4 Davon entfielen 252.000 auf Deutschland.5
Die hohe Zahl der Neuerkrankungen an Krebs ist vor allem auf unsere alternde Gesellschaft zurückzuführen, da das Alter ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Krebs ist. Gleichzeitig entwickeln sich die Möglichkeiten der Früherkennung von Krebs, z. B. durch die Verbreitung präventiver Vorsorgeprogramme. Da auch zunehmend neue molekulare Methoden (z. B. „liquid biopsies“) zur frühen Erkennung von Krebs entwickelt werden, ist davon auszugehen, dass auch diese einen Einfluss auf die Zahlen zur Krebsinzidenz haben werden.
Die steigende Inzidenz und die teilweise immer noch sehr schlechten Prognosen bestimmter Krebsarten, wie z. B. bösartiger Gehirn- oder Bauchspeicheldrüsentumore oder Blutkrebsformen, bedingen auch eine steigende intensive Forschung im Bereich der Krebsmedizin. Diese verfolgt, neben der Weiterentwicklung diagnostischer Methoden zur frühzeitigen Erkennung von Krebs, auch intensiv das Ziel, immer effektivere Therapiemethoden zu entwickeln.
Status quo der bisherigen Behandlungsmethoden
Über Jahrzehnte hinweg stand die direkte Entfernung bösartiger Tumore bzw. die Zerstörung von Krebszellen im Fokus der Krebsmedizin. Die wichtigsten Säulen der Krebstherapie sind vor allem die onkologische chirurgische Resektion von Tumoren, die Chemotherapie und die radiologische Bestrahlung. Die einzelnen Verfahren wurden im Laufe der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt und bleiben bis heute entscheidende Eckpfeiler in der Krebsbehandlung.
Das übliche Ziel der klassischen Krebstherapie ist die vollständige Entfernung eines bösartigen Tumors. Bei der Resektion des Tumors wird ein Sicherheitsabstand zum Tumor eingehalten und in der Regel auch das zugehörige Lymphabflussgebiet des resezierten Organs oder Organteils mit entfernt (onkologische Resektion). Tumorresektion und Lymphknotenentfernung dienen der Minimierung des Risikos eines Tumorrezidivs und damit einer Verbesserung der Überlebensprognose. Chemo- und Strahlentherapie nach (adjuvant) oder vor (neoadjuvant) der Operation dienen per Zerstörung potenziell verbliebener Krebszellen auch der Risikosenkung, ein Rezidiv zu erleiden.
Ära der Immuntherapie
Zu den altbewährten Therapieformen sind in den letzten Jahren verschiedene neue therapeutische Maßnahmen hinzugekommen. Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert läutete eine neue Ära in der Krebsforschung und ‑behandlung ein: die Ära der Immuntherapie.
Forscher begannen damit, Krebszellen und ihre spezifischen Eigenschaften genauer zu untersuchen. Ein wesentlicher Schritt in diesem Zusammenhang war die Einführung des sogenannten „Biomarker-Testings“. Biomarker sind biologische Merkmale, wie unter anderem auch von Krebszellen. Bei einem Test aus Blut- oder Gewebeproben können Veränderungen in der Ausprägung oder der Menge bestimmter Gene molekularbiologisch bestimmt werden und Auskunft über die speziellen Eigenschaften eines Tumors geben. Da Krebszellen teilweise sehr typische Merkmale auf ihrer Oberfläche zeigen, spricht man von sogenannten „tumorspezifischen“ oder „tumorassoziierten“ Antigenen. Diese finden sich entweder gar nicht oder nur in anderer Form oder Häufigkeit auf gesunden Körperzellen.
Basierend auf diesen krebstypischen Eigenschaften können nun zielgerichtete Therapien („targeted therapies“) entwickelt werden, um Krebszellen effektiver bekämpfen zu können. Im Fokus der Untersuchung sind vor allem die spezifischen Merkmale von Krebszellen, die ihre Vermehrung und Verbreitung im menschlichen Körper begünstigen. Durch auf diese Merkmale zielende medikamentöse Therapien sind viele Krebsarten besser in ihrem Wachstum einzudämmen. Das Prüfen von Krebsgewebe auf bestimmte Biomarker hat für Krebspatienten auch den Vorteil, dass dem Patienten bei Fehlen bestimmter Biomarker nicht oder wenig wirksame Therapien erspart und gezielt besser wirksame Substanzen verabreicht werden können.
1997 bzw. 1998 wurden bereits die beiden ersten monoklonalen Antikörpertherapien als zielgerichtete Therapien zugelassen: Rituximab für Betroffene mit einem bisher behandlungsresistenten B‑Zell-Non-Hodgkin-Lymphom und Trastuzumab zur Behandlung von Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs.6
Ansätze der Immuntherapie
Die Krebsforschung heute konzentriert sich aber inzwischen nicht nur auf die spezifischen Funktionsweisen und Biomarker von Krebszellen, sondern auch immer mehr darauf, wie das menschliche Immunsystem mit seinen verschiedenen Zelltypen und Botenstoffen gegen Krebszellen vorgeht. Die intensive Forschung zu den detaillierten Abläufen der Immunantwort des menschlichen Immunsystems gegen Krebs trägt zur Entwicklung weiterer Immuntherapien bei. Ziel dieser Art von Immuntherapien ist im Wesentlichen, das menschliche Immunsystem bei der Bekämpfung von Krebszellen zu unterstützen und zu stärken.
Es gibt somit inzwischen verschiedene immunologische Ansätze zur Bekämpfung von Krebs. Eine Übersicht: