Niederlande – Erstes Urteil in Sammelklageverfahren ergangen
Das Bezirksgericht Amsterdam hat am 9. Oktober 2024 ein erstes Urteil (Stichting Nuon-Claim gegen Vattenfall) im Rahmen des noch relativ neuen WAMCA-Kollektivklagerechts gefällt und dabei die Klage in Höhe von EUR 400 Mio. abgewiesen.
Eine Gruppe von Kleinunternehmern, die sich für das Sammelverfahren in der Stiftung Stichting Nuon-Claim zusammengeschlossen hatten, klagte gegen das Unternehmen Vattenfall (ehemals Nuon) und behauptete, Vattenfall hätte Geschäftskunden unberechtigterweise eine bestimmte Kilowattgebühr in Rechnung gestellt, obwohl es dafür keine Dienstleistung oder kein Produkt im Austausch erbracht habe. Die Erhebung der Gebühr sei vielmehr nur Netzbetreibern vorbehalten. Vattenfall ist nach wie vor der einzige Stromversorger in den Niederlanden, der diese Gebühr erhebt.
Der Fall wurde z. T. nach dem alten niederländischen Gesetz über Sammelklagen und z. T. nach dem im Januar 2020 eingeführten Gesetz über den Ersatz von Massenschäden in Sammelklagen (Wet afwikkeling massaschade in collectieve acties, WAMCA) entschieden. Dabei unterlag die Klägerseite jedoch. Das Gericht urteilte, dass Vattenfall die Kosten in Rechnung hatte stellen dürfen, und stellte klar, dass die Kilowattgebühr in den versorgungsabhängigen Teil des Tarifs einbezogen werden könne und damit auch vom Stromversorger erhoben werden dürfe. Das Gericht wies die Behauptung der Stiftung zurück, Vattenfall habe wesentliche Informationen über die kW‑Gebühr verschwiegen, da die Gebühr auf der Grundlage des Angebots von Vattenfall leicht zu berechnen war. Außerdem sei die Preisstruktur durch die Erläuterungen im Angebot und in den Energierechnungen deutlich geworden. Nach Ansicht des Gerichts wurden die Kunden daher nicht in die Irre geführt.
Das WAMCA soll den Zugang Geschädigter zur Justiz verbessern. Danach können repräsentative Einrichtungen mittels Sammelklage Schadensersatzansprüche geltend machen, die sich auf Ereignisse beziehen, die am oder nach dem 15. November 2016 stattgefunden haben. Zuvor musste eine Klage im Anschluss an das Sammelklageverfahren noch in einem gesonderten Schadensersatzverfahren eingereicht werden. WAMCA hat nicht nur die Einleitung von Massenklagen aufgrund von Vertragsverletzungen oder unerlaubten Handlungen vereinfacht, sondern bietet auch ein umfassendes kollektives Entschädigungssystem für potenzielle große Klägergruppen mit differenzierten Opt‑in- und Opt‑out-Mechanismen. Dies hat auch viele Prozessfinanzierer angezogen, die von der durch die Einführung des WAMCA ausgelösten erhöhten Nachfrage nach Ansprüchen profitieren wollen, und dazu geführt, dass die Niederlande zu einem attraktiven Forum für Massenklagen von Verbrauchern geworden sind, bei denen die Kläger finanzielle oder nicht finanzielle Schäden geltend machen (insbesondere in den Bereichen Technologie und Kommunikation, oft mit einem datenschutzrechtlichen Aspekt), aber auch für idealistische Klagen (z. B. strategische Menschenrechtsklagen).
USA – Klage gegen KI‑Start‑Up Perplexity wegen Urheberrechtsverletzungen
Dow Jones & Company, Inc. und NYP Holdings, Inc., die Unternehmen, die hinter der New York Post und dem Wall Street Journal stehen, haben am 21. Oktober 2024 im Bundesstaat New York eine Klage gegen das KI‑Unternehmen Perplexity wegen Urheberrechtsverletzungen eingereicht.
Die Kläger behaupten, dass ein Produkt des Technologieunternehmens, das es den Verbrauchern ermöglicht, die Links zu den Webseiten von Verlagen zu überspringen, und KI einsetzt, um von diesen Veröffentlichungen Zusammenfassungen zu erstellen (sog. Scrapping), ihre Rechte verletzt. Urheberrechtlich geschützte Nachrichten, Analysen und Meinungen würden ausgelesen und diese Informationen rechtswidrig verwendet, um neue Inhalte zu formulieren. Damit würde ihr Geschäftsmodell – das auf Einnahmen aus digitalen Abonnements, Online-Werbung und Lizenzvereinbarungen beruht – durch die Aktivitäten des Beklagten unmittelbar bedroht. Sie betonen, dass ihr Erfolg und ihre Nachhaltigkeit auf der Arbeit qualifizierter Journalisten und Fachleute beruhen, die qualitativ hochwertige Informationen nach strengen journalistischen Standards produzieren. Die Kläger fordern USD 150.000 für jede nachgewiesene Verletzung.
Der CEO von Perplexity behauptet, den „Do‑not-scrape“-Befehl auf den Webseiten der Kläger zu respektieren, nicht auszuschließen sei jedoch, dass Drittanbieter, von denen Perplexity Daten bezieht, anders verfahren.
Die Klage folgt einem Versuch der Kläger, eine Zusammenarbeit mit Perplexity zu erreichen und eine Lizenzvereinbarung zur Nutzung ihrer Inhalte für die Entwicklung der KI zu treffen. Im Mai hatte der Mutterkonzern der Kläger mit OpenAI einen Vertrag im Wert von über USD 250 Mio. geschlossen und ähnliche Vereinbarungen mit Reddit und Stack Overflow geschlossen.
Der Ausgang dieses Falls könnte wichtige Präzedenzfälle für die Anwendung des Urheberrechts auf KI‑Technologien schaffen und die sich entwickelnde Beziehung zwischen traditionellen Medien und Technologieakteuren innerhalb des digitalen Informationsökosystems beeinflussen.
USA – Monsanto erzielt Sieg in Roundup-Prozess
Am 16. November 2024 hat die Bayer-Tochter Monsanto im Bundesstaat Philadelphia nach einem dreiwöchigen Prozess den Fall Womack gewonnen.
Die Klägerin hatte 2015 begonnen, Roundup mehrmals im Jahr zu verwenden. Im Jahr 2019 wurde bei ihr ein Non-Hodgkin-Lymphom, eine Blutkrebsart, diagnostiziert. Sie verklagte daraufhin Monsanto mit der Behauptung, dass Chemikalien in dem Unkrautvernichter ihren Krebs verursacht hätten, und machte insgesamt USD 78 Mio. geltend.
Die Geschworenen urteilten allerdings, dass das Unkrautvernichtungsmittel Roundup nicht für die Krebserkrankung der Frau ursächlich war.
Es ist der dritte Prozess, in dem die Geschworenen in Philadelphia zugunsten von Monsanto entschieden haben. Das Unternehmen hat allerdings kürzlich auch vier weitere Prozesse verloren, zuletzt im Oktober 2024, als die Geschworenen einem Mann aus Abington USD 78 Mio. zusprachen. Dutzende weiterer Klagen sind in Philadelphia anhängig.
Erfolg hatte Monsanto im August beim US‑Berufungsgericht für den dritten Gerichtsbezirk, das am 15. August 2024 ein bahnbrechendes Urteil fällte, demzufolge das Bundesgesetz über Insektizide, Fungizide und Rodentizide (Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act) Klagen wegen unterlassener Warnung im Zusammenhang mit Roundup ausschließt.
Das Unternehmen plant darüber hinaus, den Supreme Court der USA zu bitten, sich in die Klagen auf Bundesstaatsebene einzuschalten.
Vereinigtes Königreich / Deutschland – anwaltliche Erfolgshonorare im Fokus
Am 12. November 2024 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf die Klage der britischen Verlagsgesellschaft Associated Newspapers Limited, Herausgeber der Daily Mail und der Mail on Sunday, entschieden, dass die Pflicht zur Erstattung von Erfolgshonoraren der Gegenseite das Recht auf Meinungsfreiheit der zur Zahlung verpflichteten Partei aus Art. 10 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt, wenn der zu erstattende Betrag unverhältnismäßig hoch ist (Beschwerde‑Nr. 37398/21, EGMR, Pressemitteilung vom 12.11.2024, ECHR 264 (2024)). Medienkonzerne, die entsprechende Vereinbarungen aufseiten der Partei, über die berichtet werden solle, jederzeit befürchten müssten, würden durch das daraus resultierende hohe Prozessrisiko möglicherweise von einer Berichterstattung abgehalten.
Der Kläger im Ausgangsrechtsstreit, der die Daily Mail nach einer Berichterstattung verklagt hatte, hatte mit seinen Rechtsvertretern ein Conditional Fee Arrangement (CFA, Vereinbarung über bedingte Honorare) geschlossen. Nachdem die Daily Mail in diesem Verfahren unterlegen war, musste sie nicht nur Schadensersatz, sondern auch fast GBP 250.000 für das Erfolgshonorar zahlen.
Als mit Art. 10 EMRK vereinbar sah der EGMR dagegen die Verpflichtung der unterlegenen Partei an, für die Versicherungsprämien der obsiegenden Partei aufkommen zu müssen, die dessen Rechtskostenrisiko voll abdecken (sog. After-the-Event-Versicherung, ATE) und damit die Haftung des Klägers für die Kosten des Beklagten im Falle des Unterliegens absichern.
Auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) entschied kürzlich über eine anwaltliche Honorarvereinbarung (Urteil vom 12. September 2024, Az. IX ZR 65/23). Er entschied, dass sie AGB-rechtlichen Maßstäben unterliegen und demgemäß auch bei unangemessener Benachteiligung von Mandanten unwirksam sein können. Ein Rechtsanwalt hatte eine ehemalige Mandantin nach Abschluss eines Verfahrens mit abgeschlossener, vorformulierter Vergütungsvereinbarung auf Zahlung einer Restvergütung von insgesamt EUR 132.072,11 verklagt. Nachdem er damit in den Vorinstanzen noch obsiegt hatte, unterlag er nun vor dem BGH. Der erklärte die Klausel wegen Intransparenz für nichtig. In der Gesamtstruktur könne die (ehemalige) Mandantin im konkreten Fall nicht nachvollziehen, wie die Kosten entstünden, und daher nicht abschätzen, was an Kosten auf sie zukomme. Grundsätzlich seien entsprechende Klauseln aber zulässig.