Auf Fachkonferenzen und in den Medien hört man immer häufiger von Gebäuden und Hochhäusern, die aus Holz errichtet werden. Dank der Fortschritte in der Entwicklung und Herstellung von Holzwerkstoffen können hohe Gebäude aus Holz dieselbe oder sogar eine bessere Stabilität aufweisen als Gebäude, die aus Stahl und Beton gebaut sind. Inzwischen wird bereits gemutmaßt, dass Stahl und Beton als vorherrschende Baustoffe ausgedient haben. Holz wird als das Material der Zukunft gehandelt, denn Holzbauten können schneller und wesentlich kostengünstiger errichtet werden. Zudem sind sie erheblich leichter und ökologisch nachhaltiger als Gebäude aus Beton. Folglich werden weltweit immer mehr Gebäude aus Baustoffen, Elementen und/oder Komponenten auf Holzbasis errichtet. Und sie werden immer höher. So wurden etwa in Österreich, Australien und im Vereinigten Königreich bereits Holzhäuser mit acht bis 18 Stockwerken gebaut. Und in Schweden und im Vereinigten Königreich plant man bereits den Bau von Hochhäusernn aus Holz mit 40 bis 80 Stockwerken. Weitere Projekte werden folgen.
Der vorliegende Artikel stellt die Vor- und Nachteile dieser „neuen“ Baustoffe vor und befasst sich mit den wichtigsten Überlegungen für das Underwriting.
Was sind Holzwerkstoffe?
Holzwerkstoffe sind Werkstoffe, die aus Holzspänen, -schnitzen, -wolle, -fasern, -stäuben, Furnieren oder Brettern mithilfe von Bindemitteln (z. B. Klebstoffen) oder anderen Methoden zu einem Verbundmaterial zusammengefügt werden. Diese Fertigungsverfahren verhindern die natürlichen Eigenschaftsschwankungen im Holz, sodass Verbundbauteile entstehen, die die baulichen, thermischen, akustischen und brandschutzspezifischen Kriterien für die Verwendung im konventionellen Bau durchweg erfüllen.
Hier ein Überblick über die am häufigsten verwendeten Holzwerkstoffe:
Brettsperrholz (CLT, BSP oder X-LAM)
Brettsperrholz ist der Übergriff für Massivholztafeln aus drei bis sieben über Kreuz flach aufliegenden Brettlagen, die entweder mit Leim, mechanischen Verbindungsmitteln oder Schwalbenschwanzverbindungen verbunden werden. Bis zu zehn Schichten können üblicherweise in einer Presse verleimt werden. Selbst Holzarten von minderer Qualität, z. B. Fichte, können in Form von Brettsperrholz enorme Lasten tragen.
Brettschichtholz (GLULAM, BS-Holz, BSH)
Brettschichtholz besteht aus mindestens drei Brettlagen und in gleicher Faserrichtung verleimten Hölzern. Es wird vorwiegend im Ingenieurholzbau, also bei hoher statischer Beanspruchung, verwendet. Binder aus Brettschichtholz werden als Brettschichtbinder oder Leimbinder bezeichnet.
Furniersperrholz (FU, PSL, Parallam)
Furniersperrholz ist ein symmetrisch aufgebauter Holzwerkstoff aus mehreren, kreuzweise verleimten Schichten von Schälfurnier, deren Faserverlauf unter einem Winkel von 90° verleimt und gepresst wird. Dadurch werden richtungsgebundene Werkstoffeigenschaften wie das Quell- und Schwindverhalten über die Plattenebene homogenisiert. Die Lagen des Sperrholzes können aus Massivholztafeln, Furnieren, Stäben oder anderen Holzwerkstoffen bestehen. Eine Platte >12 mm Dicke und mit mindestens fünf Lagen wird als Multiplex-Platte bezeichnet.
Furnierschichtholz (FSH, LVL)
Für die Herstellung von Furnierschichtholz (auch LVL, von engl. Laminated Veneer Lumber) werden ca. 3 mm dünne Schälfurniere in mehreren im Faserverlauf parallel liegenden Schichten zumeist mit Phenolharz verleimt und in einer Heißpresse gehärtet. Die Materialeigenschaften wie Festigkeitswerte sind damit stark richtungsabhängig. Furnierschichtholz wird ähnlich wie Sperrholz, nur in wesentlich größerem Umfang, für zahlreiche Anwendungen eingesetzt, z. B. für Träger-, Balken-, Dachstuhl-, Rahmen-, Dach-, Boden- oder Wandelemente sowie als Bauteile für die Tischlerbranche (Türen, Treppen, Fenster).
Grobspanplatte (OSB) / Spanstreifenholz (LSL)
Grobspanplatten (OSB; Oriented Strand Board bzw. Oriented Structural Board) werden aus langen, schlanken Spänen (sog. strands) hergestellt, die beleimt unter hohem Druck und hoher Temperatur zu Platten verpresst werden. Sie waren ursprünglich ein Abfallprodukt der Furnier- und Sperrholzindustrie. OSB-Platten werden als Bauplatten beim Rohbau und im Innenausbau als Wand- oder Dachbeplankung eingesetzt. Im Fußbodenbereich dienen sie als Verlegeplatte (Nut- und Federprofil).
Spanstreifenholz (LSL, von engl. Laminated Strand Lumber) ist eine Sonderform der OSB-Platte und ein Holzwerkstoff, der aus sehr langen Holzspänen und einem Bindemittel hergestellt wird. Die Späne werden in Längsrichtung der Platte orientiert und anschließend in einer Dampfinjektionspresse verpresst. Spanstreifenholz wird besonders für stark beanspruchte Elemente im Holzbau als Ersatz für Schnitt-/Vollholz eingesetzt.
Holzverbundwerkstoffe (SIPS)
SIPS sind Sandwichelemente, bestehend aus einem isolierenden mittragenden Kernmaterial (in der Regel expandiertes Polystyrol) zwischen zwei OSB-Deckschichten. Sie werden bevorzugt im Wohn- und Gewerbebau eingesetzt, insbesondere zur Erreichung einer geforderten Wärme- und Schalldämmung. Sie werden individuell entsprechend dem geforderten Design unter kontrollierten Bedingungen industriell vorgefertigt. Sie werden als besonders lasttragend, energieeffizient und kostengünstig angesehen.
Mitteldichte Faserplatte (MDF)
MDF-Platten bestehen aus feinst zerfasertem, hauptsächlich rindenfreiem Nadelholz.
Durch eine Verpressung wird ein in Längs- und Querrichtung gleichermaßen homogener Holzwerkstoff hergestellt. Die Kanten sind glatt und fest und können ohne besonderen Anleimer profiliert werden. Aufgrund ihrer technischen Eigenschaften zählt MDF weltweit zu den am stärksten wachsenden Holzwerkstoffprodukten.
Spanplatte (Flachpressplatte)
Span- oder Flachpressplatten repräsentieren die größte und bekannteste Untergruppe der Holzspanwerkstoffe. Sie bestehen aus unterschiedlich großen beleimten Spänen, die in zumeist drei bis fünf Schichten zu Mehrschichtplatten verpresst werden. Die äußeren Schichten bestehen dabei fast immer aus einem feineren Spanmaterial, insbesondere wenn sie anschließend zu dekorativen Zwecken beschichtet werden (z. B. im Möbelbau). Da der massive Holzverbund aufgehoben ist, haben diese Platten in Richtung der Plattenebene, also in der Länge und Breite der Platte, nahezu die gleichen Quell- und Schwindeigenschaften, allerdings auch wesentlich geringere Festigkeiten als Vollholz.
Welche Vorteile haben Holzwerkstoffe?
Als Baumaterial weisen Holzwerkstoffe eine Vielzahl von beeindruckenden Eigenschaften auf, die ihre wachsende Beliebtheit in der Baubranche, Architektur und Politik erklären:
- Holz ist ein natürlicher, nachwachsender Rohstoff, der die heutigen ökologischen Anforderungen im Hinblick auf die Energieeffizienz und die Senkung von CO²-Emissionen erfüllt.
- Holzgebäude sind wesentlich leichter als Gebäude aus Stahl und weisen ein besseres statisches Verhalten auf als vergleichbare Stahl-/Betonelemente.
- Die höhere Festigkeit und flexible Bearbeitbarkeit von Holzwerkstoffen ermöglichen ambitioniertere architektonische und bautechnische Entwürfe/Gebäudedesigns.
- Holzwerkstoffe ermöglichen die industrielle Vorfertigung von Teilen, Komponenten und Bauelementen, wodurch die Kosten für die Lieferung und Montage auf der Baustelle reduziert werden.
- Ein effektiver Feuerwiderstand kann durch Schutz des Holzes z. B. mit Gipskartonplatten oder massiven Holzbauplatten erzielt werden.
- Gerät Holz in Brand, bildet sich auf der Oberfläche eine isolierende Holzkohleschicht, die das darunterliegende Holz schützt. Dadurch kann es länger dauern, bis ein Gebäude einstürzt, sodass Personen, die sich im Gebäude aufhalten, mehr Zeit zur Flucht haben und die Chancen der Feuerwehr ggf. steigen, den Brand zu löschen.
Warum Sachversicherer dennoch Vorsicht walten lassen sollten
Trotz der zahlreichen Vorteile von Holzwerkstoffen gibt es für Versicherer angesichts der steigenden Zahl – und Größe – von Holzgebäuden Grund zur Sorge. Dies hängt in erster Linie mit dem natürlichen Verhalten von Holz zusammen, wenn es in Kontakt mit Feuer, Wasser und Feuchtigkeit kommt, wird aber zusätzlich durch den Trend verstärkt, dass die Gesetzgeber zur Förderung umweltbewussterer Bauweisen auch eine Lockerung von Sicherheitsstandards in Kauf zu nehmen scheinen.
Aktuelle Brandschäden an großen Wohn- und Appartementhäusern aus Holz in den USA zeigen, dass Gebäude, die in Holzbauweise errichtet wurden, zwar weniger schnell einstürzen, jedoch eine hohe Brandlast aufweisen und deshalb tendenziell komplett niederbrennen, wenn das Feuer nicht frühzeitig entdeckt und gelöscht werden kann.1
Selbst wenn das Feuer gelöscht werden kann, bevor das Gebäude so weit beschädigt ist, dass es abgerissen werden muss, können die verbauten Holzwerkstoffe bereits zu einem gewissen Grad geschädigt sein, mit der Folge, dass sie aus optischen oder sogar statischen Gründen ersetzt werden muss. Neben der vorgenannten Möglichkeit, die Feuerwiderstandsdauer von Holzbauteilen durch eine Verkleidung zu erhöhen, besteht die Möglichkeit, die Entzündbarkeit und Brennbarkeit von Holz durch die Behandlung mit chemischen Stoffen zu reduzieren. Solche Imprägniermittel können negative Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben.
Holzgebäude benötigen ebenso wie Gebäude aus Stahl und Beton eine Dämmung, um energieeffizient zu sein. Zur Einhaltung der energetischen Standards werden sie häufig mit brennbaren Materialien gedämmt (z. B. Dämmstoffe aus Polystyrol, Polyurethan oder natürliche Dämmstoffe wie getrocknete Naturfasern, Stroh, Getreide). Sollte ein Brandeintrag in die brennbare Isolierung von z. B. Holzwänden und -decken erfolgen, hat eine Feuerwehr Probleme, einen solchen Brand erfolgreich zu bekämpfen, da das Feuer sich innwandig ausbreitet und durch die Löschmittel von außen nicht erreicht werden kann. In solchen Fällen muss sich deshalb die Feuerwehr oft darauf beschränken, eine Ausbreitung des Feuers auf Nachbargebäude zu verhindern, mit der Folge, dass das betroffene Gebäude vollständig niederbrennt.
Zudem kann das Löschwasser weitere Schäden verursachen, denn es kann durch das Holz aufgesogen werden. Generell reagieren Baustoffe und Komponenten auf Holzbasis empfindlich auf Nässe und Feuchtigkeit. Die Erfahrung zeigt, dass die Schäden an einem in Holzbauweise errichteten Gebäude nach einem Wasserschaden wesentlich höher sind als bei einem konventionellen Gebäude. Dies liegt u. a. daran, dass ein solcher Schaden oft nur mit erheblicher Verzögerung festgestellt wird. Trocknungs- und Reparaturmaßnahmen sind meist deutlich kostenintensiver. Ist die Feuchtigkeit nicht vollständig aus den verbauten Holzelementen entfernt worden, kann es zu Fäulnis- und Schimmelbildung und letztlich sogar zu einem Totalschaden kommen, wenn die Sanierungsmaßnahmen den Wert des Gebäudes überschreiten.
Für den Abschluss eines Gebäudeversicherungsvertrags wird häufig die Versicherungsprämie nach der Art der Baukonstruktion berechnet. Hier kann es künftig häufiger zu einer Fehleinschätzung der gegebenen Gebäudekonstruktion durch z. B. den Versicherungsvermittler kommen, denn wegen verwendeter Verkleidungen und Dekorationen ist es teilweise nicht oder nur an Details festzustellen, ob das Gebäude überwiegend aus brennbaren Holzwerkstoffen aufgebaut ist bzw. ob brennbare Dämmstoffe verwendet wurden.
Manche Holzbauteile (z. B. Binder) erwecken den Eindruck, als bestünden sie aus Massiv-Vollholz, tatsächlich bestehen beispielsweise die Binder aus einer Holzrahmen-Binderkonstruktion mit innwandigem Holzraum, um Holz einzusparen und damit Kosten zu senken.
Uns bekannte Schäden im Rahmen von Gebäuden in Holzbauweise zeigen eine zu erwartende höhere Schadensumme im Vergleich zu Gebäuden, die mit konventionellen Materialien errichtet wurden, z. B. Stahl, Mauerwerk und Beton. Aufgrund der Bauweise aus brennbarem Material und der damit einhergehenden erhöhten Brandlast empfiehlt es sich, mit einem möglichen Totalschaden des betreffenden Gebäudes zu rechnen.
Schließlich ist es nicht ausreichend, Gebäude, die mehrheitlich unter Verwendung von Holzwerkstoffen errichtet werden, nur aus dem Blickwinkel der ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile zu betrachten – ihre damit verbundenen möglichen Risiken z. B. von Brand- und Feuchtigkeitsschäden müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Vorbeugend sollten deshalb bspw. Sprinkleranlagen und automatische Brand- und Wasser-/Leckagemeldeanlagen installiert werden, um die Vorteile der Holzbauweise abzusichern – ergänzt durch einen Sicherheitsstandard, der mindestens so hoch ist wie der für herkömmlich errichtete Gebäude.
Zusammenfassung
Im globalen Trend werden künftig Gebäude aus Holzwerkstoffen zunehmend sowohl im privaten als auch gewerblichen Bereich die bisher üblichen konventionellen Baustoffe und -materialien verdrängen bzw. ersetzen, da sie sowohl aus ökologischer Sicht als auch aus Kostengesichtspunkten eindeutige Vorteile gegenüber herkömmlichen Baustoffen wie Stahl und Beton bieten. Die Weiterentwicklung von Holzwerkstoffen und Bauteilen aus Holz ermöglicht die Errichtung immer größerer und höherer Holzgebäude – ein weltweit zu beobachtender Trend. Man sollte aber auch die mit solchen Gebäuden einhergehenden Risiken mitbetrachten und versuchen, sie durch vorbeugende Schadenverhütungs-/-minderungsmaßnahmen zu reduzieren, denn Gebäude aus Holz gehen mit besonderen Herausforderungen für die Feuerwehr, aber auch für die Versicherungsindustrie einher. Es wird die zukünftige Herausforderung sein, durch vorbeugende Maßnahmen die möglichen Risiken zu reduzieren. Deshalb ist es wichtig für einen Versicherer, die damit einhergehenden Exposure und Risiken zu kennen.
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