Bereits 1992 beschrieb das Fire Protection Handbook1 der National Fire Protection Association (NFPA), dass Lagerrisiken im Brandfall eine einzigartige Herausforderung sowohl für stationäre Feuerlöschanlagen als auch für die Feuerwehr sind. Besonders moderne Lagerhallen und Lagerflächen seien dabei von sich rasch entwickelnden Bränden betroffen, da die Brandausbreitung durch eine komplexe Konfiguration der Lager- und Gebäudeanordnung gefördert wird, die zusätzlich die manuelle Brandbekämpfung erschwert. Aus diesen Gründen wurde zur Kontrolle eines Lagerbrands als einzige bewährte Schutzmethode eine ordnungsgemäß ausgelegte und gewartete automatische Sprinkleranlage empfohlen.2
An diesen Ausführungen des Fire Protection Handbook hat sich bis heute nichts geändert. Nahezu täglich wird über den Brand eines Lagers berichtet; weltweit ereignen sich während eines Tages eine Vielzahl von Bränden in Lagern.3 Oft enden diese Brände für das betroffene Unternehmen, aber auch für die Versicherungswirtschaft mit einem Großschaden.
Im vorliegenden Artikel sollen nach einer kurzen Einführung in die verschiedenen Lagerarten und -techniken, insbesondere die sich aus bisherigen Bränden ergebenden Erkenntnisse, beschrieben sowie Hinweise für typische Brandschutzmaßnahmen gegeben werden. Hinweise für ein adäquates Underwriting bei Lagerrisiken sowie eine Checkliste runden den Artikel ab.
Lagerarten
Lagerrisiken dienen zur Lagerung von Rohstoffen, Zwischenprodukten, Brennstoffen, Hilfs- und Fertigprodukten auf dem Weg zu Herstellern, Distributoren oder dem Verbraucher. Die Arten und Anforderungen der Lagerung sind dabei so unterschiedlich wie die Produkte selbst.
Die Lagerung kann im Freien oder in einem Gebäude erfolgen. Lagerflächen können von mehreren hundert bis zu mehr als 100.000 m² reichen, die Lagerhöhen von wenigen Metern bis zu mehr als 60 Metern. Weitere Unterscheidungsmerkmale können die Art der Lagerung (z. B. Regal-, Block-, Schüttgut-, Flüssigkeitslager) oder die Lagerung der Produkte unter speziellen kontrollierten Bedingungen sein, z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, Atmosphäre (z. B. Tiefkühl-, Kühllager, Ambientlager). Waren in Lagern können manuell (z. B. mit Gabelstaplern, über Förderbänder) oder von computergesteuerten automatischen Regalbediengeräten eingelagert werden. Es gibt Lager mit einem im Jahresverlauf sehr geringen Warenumschlag sowie Lager mit einem hohen Warenumschlag. Lager werden entweder von Betrieben selbst genutzt oder aber durch Dritte betrieben, die Ware gegen eine Gebühr einlagern.
Statistische Erkenntnisse aus Lagerbränden weltweit
In den USA registrierte die NFPA zwischen 2009 und 2013 ca. 1.240 Lagerbrände pro Jahr mit jährlichen Sachschäden von ca. USD 155 Mio., dabei sank die Anzahl der Brände in einem Beobachtungszeitraum von 30 Jahren von 4.700 pro Jahr auf rund 1.200 pro Jahr.4 In Südafrika wurden durch die Fire Protection Association of South Africa (FPASA) in den Jahren 2011 bis 2015 insgesamt 436 Lagerbrände registriert (81 Brände pro Jahr) mit einem stetigen Anstieg von 61 Bränden im Jahr 2011 auf 127 Brände im Jahr 2015.5 Bei der überwiegenden Zahl der Brände konnte die Ursache für den Brand nicht ermittelt werden.
In Deutschland ergab die Auswertung von verfügbaren Statistiken des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Jahre 2001 bis 2016 mit insgesamt mehr als 76.000 Risiken, dass sich in diesem Zeitraum ca. 7.000 Schäden in Lagern ereigneten, d. h. ca. 430 Schäden pro Jahr. Dabei umfasste die Anzahl der Schäden mit einem Schadenaufwand größer EUR 0,5 Mio. insgesamt 251 Schäden.
Brände in Lagern können zu sehr großen Schadendimensionen führen. So ereignete sich im Jahr 1977 in Köln ein Totalschaden bei einem Automobilhersteller mit einer damaligen Schadensumme von ca. EUR 150 Mio. In den USA ereignete sich im Jahr 1982 in einem Distributionslager einer Supermarktkette ein Schaden von über USD 100 Mio. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit kam es immer wieder zu spektakulären Lagerbränden.
Analysiert man die eingetreten Schäden, ergeben sich immer wieder die gleichen Erkenntnisse:
- Keine installierte Feuerlöschanlage oder – bei einer vorhandenen Feuerlöschanlage, z. B. Sprinkleranlage – nicht adäquate Bemessung, Installation, Wartung und Instandhaltung in Bezug auf die vorzufindende Brandlast und die Brandgefahr.
- Unzureichende Wasserversorgung für eine erfolgreiche Brandbekämpfung (z. B. in Bezug auf die zur Verfügung stehende Wassermenge, den Wasserdruck/-durchfluss, die Versorgungsdauer), für eine installierte Löschanlage oder für die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr.
- Keine oder eine unzureichende Branderkennung und -meldung z. B. durch eine installierte automatische Brandmeldeanlage mit direkter Alarmierung der Löschkräfte. Oft sind die Löschkräfte erst dann vor Ort, wenn sich der Brand bereits so weit ausgebreitet hat, dass eine Begrenzung auf den Ausbruchsherd nur noch schwerlich möglich ist.
- Scheitern der Erstbrandbekämpfung durch Beschäftige in Lagern, sodass sich ein Brand schnell zum Großbrand ausbreiten kann. Je nach Art des Lagers, der Lageranordung und -dimensionierung ist ein Feuerlöschversuch durch Beschäftigte erst gar nicht möglich, z. B. bei einem beginnenden Brand in hohen Regal- oder Blocklagern.
- Auslösung von Bränden durch vorsätzliches/grob fahrlässiges Handeln (Brandstiftung) bzw. menschliches Fehlverhalten. Hierzu gehören Missachtung des Rauchverbots sowie von Heißarbeiten, mangelnde Installation elektrischer Anlagen, unachtsamer Umgang mit Kraftstoff und elektrisch betriebenen Geräten oder aber auch durch unzulässige oder falsche Lagerung, z. B. von inkompatiblen Chemikalien oder Produkten, die zur Selbstentzündung neigen (wie Getreide in Schüttgutlagern).
Weiterhin fällt beim Lesen von Schadenberichten auf, dass Lager nicht in Brandabschnitte unterteilt sind, oder vorhandene Brandwände erhebliche Mängel aufweisen, z. B. unzureichend/nicht feuerwiderstandsfähig geschützte Öffnungen in Brandwänden oder eine fehlende Überdachführung der Brandwand, sodass sich ein Brand schnell im gesamten Lager ausbreiten kann. Oft ist die gelagerte Ware alleine schon durch die Ausbreitung des beim Verbrennungsprozess entstehenden Rauchs kontaminiert und muss komplett entsorgt werden. Gründe hierfür sind beispielsweise behördliche Anordnungen zur Vernichtung des gesamten Lagerbestands, z. B. bei Lebensmittel- und Pharmalagern, oder dass die gelagerte Ware beispielsweise wegen ihrer hohen Temperaturempfindlichkeit oder bestehenden Qualitäts- oder Hygieneanforderungen nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf.
Überblick über klassische Brandschutzmaßnahmen für Lager
Werden Lagergebäude neu errichtet, sollte von Beginn an über den Einbau von vorbeugenden Brandschutzmaßnahmen nachgedacht werden; insbesondere die Installation geeigneter und adäquater automatischer Feuerlösch- und Brandmeldeanlagen mit ausreichender Wasserversorgung, Inspektions-, Wartungs- und Prüfroutinen und -verfahren. Des Weiteren bietet sich bei einem Neubau über die Bauart sowie die verwendeten Baustoffe und Bauteile des Gebäudes (es sollten möglichst nur nicht brennbare Baustoffe Verwendung finden) die Möglichkeit, über die Anordnung der Gebäude zueinander sowie die Unterteilung des Lagergebäudes durch räumliche oder bauliche Komplex- und Brandabschnittstrennungen nachzudenken, um im Schadenfall die Ausbreitung von Feuer und Rauch zu verhindern.
In bestehenden Lagergebäuden sollten Änderungen in der Lagerung, Veränderungen in der bestehenden Bausubstanz oder der Lagerart sorgfältig geprüft werden, um mögliche Auswirkungen auf die Brandgefahr zu erkennen und bewerten zu können. Vorhandene Brandschutzmaßnahmen sollten auf ihre Wirksamkeit überprüft und an die neue Risikosituation angepasst werden.
Underwriting-Hinweise
Möchte man das Risiko eines Brands bei einem zu versichernden Lager abschätzen, sollten ausreichende Risikoinformationen vorliegen, denn sie beeinflussen die Entstehung, Ausbreitung eines Brands und die damit verbundenen Folgeschäden erheblich. Die Checkliste am Ende dieses Artikels soll Underwritern als Ausgangspunkt dienen. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Überlegungen näher erläutert.
Besichtigungsberichte sind eine wichtige Informationsquelle und sollten nicht älter als zwei bis drei Jahre sein. Waren, Verpackungen und Lagereinrichtungen ändern sich im Laufe der Zeit, daher ist es wichtig, dass die Lagerkonfiguration und die Brandschutzmaßnahmen der veränderten Risikosituation angepasst werden. Vormals adäquate, aber nicht mehr wirksame Brandschutzmaßnahmen können zu deutlich größeren Schäden führen.
Können Kunden keine ausreichenden Underwriting-Informationen zur Verfügung stellen, ist es ratsam, mit Preis- und Kapazitätsüberlegungen vorsichtig zu sein. Zudem sollten Höchstschadenschätzungen eher konservativ eingeschätzt werden, wenn räumliche oder bauliche Komplextrennungen fehlen oder unzureichend sind; im Zweifelsfall sollte der potenzielle Höchstschaden mit 100 % angenommen werden.
Besichtigungsberichte sollten zumindest Folgendes enthalten:
- Konstruktion des Lagergebäudes und verwendete Baustoffe und Bauteile
- gelagerte Ware einschließlich des verwendeten Verpackungsmaterials sowie der Lagerhilfen
- Art des Lagers (z. B. Schüttgut-, Block-, Regallager)
- Lagerfläche und -höhe inkl. Aufbewahrungsanordnung
- verwendete Lagerbediengeräte (z. B. Flurförderzeuge, Gabelstapler)
- Brandschutzmaßnahmen wie Sprinkler, automatische Brandmeldung, Brandschutzwände, Wasserversorgung, Angaben zu den organisatorischen Schutzmaßnahmen
- Aussagen über die Angemessenheit und Zuverlässigkeit dieser Schutzmaßnahmen, einschließlich:
- Sind die installierten Feuerlöschanlagen nach den lokalen Vorschriften (z. B. Deutschland: VdS; UK: LPC; USA: NFPA, FM; Frankreich: Apsad) geplant und eingebaut worden?
- Werden sie regelmäßig gewartet und wird ihre Funktionsfähigkeit durch eine unabhängige Organisation geprüft?
- Ist zumindest ein Brandabschnitt vollständig durch die Feuerlöschanlage geschützt? Partiell installierte Anlagen in einem Brandabschnitt stellen keinen wirklichen Schutz dar.
- Besteht Löschbehinderung durch nachträgliche Einbauten?
- Umschlagszeitraum für die gelagerte Ware und Möglichkeit der Nachbestellung
- Zugangsmöglichkeiten für Feuerwehr mit einer Abschätzung, wie schnell die Feuerwehr im Brandfall nach einer Alarmierung vor Ort sein kann und ob Zugangsbeschränkungen bestehen
Weitere Überlegungen
Unterteilung von Lagern
In Bezug auf Lagergüter und Verpackungsmaterialien (Kartonagen, Folien, Schaumkunststoffe) sowie der verwendeten Lagerhilfen (Paletten, Transportbehälter) hat sich eine Unterteilung von Lagern/Silos/Tanklagern nach ihrem Gefährdungsexposure bewährt, z. B.
- sehr geringe Feuergefahr, z. B. Lagerung von nicht brennbaren Materialien, Verpackungsmaterial und Lagerhilfen,
- geringe Feuergefahr, z. B. im Wesentlichen nicht brennbare Produkte allseitig verpackt mit nicht brennbaren Materialien und Lagerhilfen aus nicht brennbarem Material,
- mittlere Feuergefahr, z. B. Produkte geringer Brandlast, nicht verpackt oder nur mit Kantenschutz versehen und Holzstellagen oder -paletten als Lagerhilfe verwenden,
- höhere Feuergefahr, z. B. Produkte, die mit Holz, Pappe, Papier, Folien, ungeschäumten Kunststoffen, schwer entflammbaren Schaumkunststoffen oder Kantenschutz aus Schaumkunstoffen verpackt sind und Holzstellagen oder -paletten als Lagerhilfe verwenden,
- hohe Feuergefahr, z. B. Produkte mit einem hohen Anteil an Schaumkunststoffen für äußere oder innere Verpackung oder die Verwendung von Kunststoffpaletten und -boxen als Lagerhilfen,
- Kühl- und Tiefkühllager,
- Sonderlager (z. B. Torf/Kunststoffschäume/Sprengstoff/Polstermöbel/Aerosolprodukte).
Nicht genutzte Lagerinhalte
Nicht genutzte Lagerinhalte wie Paletten können aufgrund ihrer erheblichen Brandlast ein erhöhtes Brandrisiko darstellen. Häufig werden sie entweder in Blöcken zusammengefasst an der Außenwand des Lagers gelagert und so zu einem leichten Ziel für Brandstifter. Die Brandintensität bei einem Palettenlagerbrand ist derart hoch und die Brandentwicklung so schnell, dass bei einer Lagerung an der Außenwand der Brand schnell auf das Innere des Lagers übergreift und auch bei einer adäquat installierten Feuerlöschanlage zu deren Versagen führt. Leerpaletten sollten deshalb in einem sicheren Abstand (mindestens 20 m) zu Außenwänden von Lagergebäuden oder in einem eigenen Brandabschnitt innerhalb des Lagers gelagert werden.
Neue Lagertechniken
Um effizienter zu werden und Kosten einzusparen, werden ehemals konventionelle Lager durch den Einbau neuer Lagertechnik modernisiert. So kommen zunehmend automatisierte Lager- und Bereitstellungssysteme (AS/RS), Paternoster-, Karussell-, Tablarsysteme/Vertikalaufzugslager oder vollautomatische „Autostore“-Systeme zum Einsatz. Sie können aufgrund der folgenden Punkte zu erheblichen Veränderungen in der Brandrisikoeinschätzung führen:
- zunehmende Wertbelastung pro m² Lagerfläche,
- Integration von Lagerbereichen direkt im Produktionsbereich ohne brandschutzwirksame Abgrenzung,
- Schwierigkeit, bisher bewährte Brandschutzmaßnahmen in diesen neuen Lagerkonstellationen zu installieren, z. B. durch die hohe Lagerdichte ist die Installation einer Sprinkleranlage nicht mehr möglich,
- erhöhte Schwierigkeit der Feuerlöschkräfte, den Brandherd zu identifizieren und gezielt zu bekämpfen, z. B. bei allseitig geschlossenen Regalanlagen wie Paternosteranlagen,
- zunehmende Spezialisierung von Lagern, die es erschweren, kurzfristig einen adäquaten Ersatz zu finden, was sich negativ auf die Lieferfähigkeit eines Unternehmens auswirkt.
Zusätzliche versicherungstechnische Fragestellungen
Neben Lagern, die von dem versicherten Unternehmen in Eigenregie betrieben werden, können Lager durch spezielle Einlagerer und Speditionsfirmen betrieben werden, die gegen Bezahlung die Einlagerung, das Lagerhandling und die Distribution der Lagergüter übernehmen. Hier empfiehlt es sich zu überprüfen, wie die Versicherung der eingelagerten Ware vertraglich geregelt ist und ob die Ware durch den Eigentümer der Ware oder den Betreiber des Lagers versichert ist.
Gerade bei Einlagerungsunternehmen wechseln die eingelagerten Güter häufig, und es nicht immer davon auszugehen, dass die bestehenden Brandschutzeinrichtungen der veränderten Brandrisikosituation angepasst werden. Um ein entsprechendes Änderungsrisiko zu identifizieren, sollte im Rahmen des Versicherungsvertrags solcher Lager vereinbart werden, dass der Versicherer unverzüglich in Kenntnis gesetzt wird, wenn sich die Art der eingelagerten Ware verändert.
Weiterhin wäre es wichtig zu wissen, ob der Lagereigentümer über eine Lagerhaftpflichtversicherung verfügt, die bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Lagerbetreibers Versicherungsschutz bietet. Ggf. hilft hier ein Blick in den Vertrag zwischen Einlagerer und Lageranbieter zur Klärung dieser Fragen.
Gemeinsame Lagernutzung
Häufig werden Lager von weiteren Parteien/Mietern genutzt. Zusätzliche Mieter können durch ihre Aktivitäten ein höheres Brandrisiko bedingen.
Betriebsunterbrechung
Während früher eine Betriebsunterbrechung verursacht durch den Verlust eines Lagers als vernachlässigbar angesehen wurde, da Ware relativ schnell nachproduziert werden konnte, rückt heute die Betriebsunterbrechung zunehmend in den Vordergrund. Dies hat mit unserer arbeitsteiligen Welt und Globalisierung zu tun. Für eine Produktion benötigte Teile werden oft nicht mehr selbst am Standort produziert, sondern bei spezialisierten Zulieferern geordert und in einem Zwischenlager gelagert. Fällt ein solches Lager einem Brand zum Opfer, ist es meist schwierig, in kurzer Zeit für adäquaten Ersatz zu sorgen. Eine erhebliche Betriebsunterbrechung ist die Folge.
Um das Betriebsunterbrechungsrisiko besser abschätzen zu können, sollten folgende Fragen gestellt werden:
- Was ist die Berechnungsgrundlage für den Versicherungswert der eingelagerten Ware, z. B. die Herstellungskosten oder der Endverbraucher-Verkaufspreis (einschließlich Bruttogewinn) oder etwas anderes?
- Welche Haftzeit ist dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt? Insbesondere der Wert bei saisonaler Ware, aber auch bei anderen Lagergütern kann sich im Laufe eines Jahres ändern (aufgrund von Abschreibung von Werten, Veränderungen in Wechselkursen, Schwankungen in den Beschaffungspreisen, Veränderungen im Markt-/Kaufverhalten). Sie erschweren die Ermittlung der tatsächlichen Werte während der Vertragslaufzeit.
- Welche Alternativ-/Ausweichmöglichkeiten stehen dem Unternehmen zur Verfügung, um einen Betriebsunterbrechungsschaden nach einem Brand zu minimieren? Wie realistisch ist diese Möglichkeit, z. B. Direktbelieferung der Kunden vom Hersteller, Anmietung eines Ausweichlagers, Belieferung der Kunden durch andere Standorte? Kann verlorene Ware nachbestellt werden und falls ja, in welcher Zeit? Wie hoch ist der erwartete Ausfall einer oder mehrerer Saisons auf des Geschäftsergebnis des Unternehmens?
- Welche Mehrkosten und sonstigen Vorsorgepositionen/Erstrisikopositionen sind im Rahmen des Versicherungsvertrags vereinbart und kommen ggf. im Schadenfall zum Tragen?
- Wie viel Zeit wird benötigt, um ein zerstörtes Lagergebäude wieder zu errichten und insbesondere Einrichtungs-, Förder- und Steuerungssysteme zu beschaffen?
Saisonware
Saisonware, z. B. Textilien, wird teilweise schon ein Jahr bevor sie in den Verkauf gelangt produziert und in Distributionslagern gelagert. Brennt ein solches Distributionslager ab, ist es in der Regel nicht mehr möglich, die verlorene Ware nachzubestellen; die gesamte Saison mit einhergehenden finanziellen Verlusten für den Verkäufer ist dann gelaufen. Ein ähnliches Risiko besteht bei Produkten, die nur zu bestimmten Zeiten auf dem Weltmarkt in der geforderten Menge und Qualität angeboten werden, beispielsweise Rohtabak oder Kaffee.
Besondere Risiken
Spezielle Gefährdungen stellen Lager dar, in denen Produkte unter speziellen kontrollierten Bedingungen gelagert werden, z. B. temperatur- und feuchtigkeitsempfindliche Waren wie Lebensmittel (Kühllager, Tiefkühllager). Sie verfügen über umfangreiche technische Anlagen, um die erforderlichen atmosphärischen und klimatechnischen Lagerbedingungen aufrechtzuerhalten. Es sollte in diesem Zusammenhang diskutiert werden, ob mit dem vorliegenden Versicherungsvertrag auch der Verderb von Ware, z. B. durch Ausfall der Kühlanlagen, mitversichert ist.
Normalerweise wird der Verderb von Ware durch gesonderte spezialisierte Versicherungspolicen versichert, jedoch wurden schon häufiger durch Zusatzklauseln solche Deckungen in klassischen Feuer-/Allgefahren-Versicherungen mitgedeckt, obwohl sie ein anderes Exposure darstellen und damit völlig andere Underwriting-Entscheidungen erfordern.
Hier stehen Fragen zur Verderbempfindlichkeit der Ware, der getroffenen technischen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Lagerbedingungen, getroffene Alarmierungsmöglichkeiten bei Ausfall wichtiger technischer Anlagen, Vorhaltung von Fachpersonal für eine schnellstmögliche Reparatur sowie Bevorratung wichtiger Ersatzteile für defekte Anlagen im Vordergrund.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Lager insbesondere neben der Feuergefahr auch durch weitere versicherte Gefahren bedroht sein können, die ebenfalls einen Groß- bzw. Totalschaden nach sich ziehen können. Besonders zu nennen ist hier eine mögliche Naturgefahren-Exponierung (z. B. Überschwemmung, Starkregen, Wind, Erdbeben), aber auch Schäden durch Leitungswasser, Diebstahl, Beraubung, Beschlagnahmung. Hier stellt sich die Frage, welche Gefahren der Deckungsumfang der Versicherungspolice beinhaltet. Je nach vereinbarten Gefahren ergeben sich dann für eine abschließende Risikobeurteilung weitergehende Fragestellungen.