Deutschland – Klage einer Gemeinde wegen PFAS-Belastung von Trinkwasser dem Grunde nach teilweise berechtigt
Im Jahr 2017 hatte die Gemeinde Hügelsheim einen Komposthersteller und dessen Vorstand wegen der Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers mit PFAS auf Schadensersatz i. H. von EUR 150.000 verklagt. Die Klägerin behauptete, dass das Aufbringen von Kompost auf Ackerflächen, der mit PFAS-haltigen Papierschlämmen verunreinigt war, ursächlich für die Bodenbelastungen sei.
Am 25. Juli 2024 erklärte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden die Klage als dem Grunde nach teilweise für berechtigt (s. Pressemitteilung des LG Baden-Baden). Darüber hinaus stellte das Gericht die Haftung des beklagten Unternehmens und seines Vorstands als Gesamtschuldner für die Schäden fest, die der Klägerin durch die Beaufschlagung von mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFS) kontaminierten Papierschlamm-Kompost-Gemischen auf landwirtschaftliche Grundstücke im Gemeindegebiet der Klägerin im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Trinkwasserversorgung der Gemeinde entstanden sind oder entstehen werden. In der Gemeinde Hügelsheim musste ein Trinkwasserbrunnen abgeschaltet werden, weil er zu hohe PFC‑Werte aufwies.
Das Gericht sah es als unstrittig an, dass die Beklagten ein Gemisch aus Kompost und aus von der Papierindustrie bezogenen PFAS-haltigen Papierschlämmen auf Ackerflächen aufgebracht hatten. Die Höhe des Schadensersatzes soll im weiteren Verlauf des Verfahrens festgelegt werden, so das Gericht. Die Beklagten beabsichtigen, gegen das nicht rechtskräftige Urteil Berufung beim OLG Karlsruhe einzulegen.
Im Mai 2019 erhoben die Stadtwerke Rastatt wegen der Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers mit PFAS gegen das gleiche Kompostunternehmen Klage auf Zahlung von EUR 6,5 Mio. und Feststellung des weiteren Schadens. Der Komposthersteller im Kreis Rastatt soll bis Ende 2008 mit Papierschlämmen verunreinigten Kompost auf mehr als 1.250 Hektar Ackerland in der Region als Dünger verteilt haben. Über die Fließbewegung des Grundwassers breitete sich die Verunreinigung in der Region aus.
Die Stadtwerke Rastatt mussten aufgrund der Verunreinigung des Bodens u. a. eines ihrer Wasserwerke stilllegen und hohe Ausgaben für Filteranlagen tätigen. Ein Urteil steht noch aus.
Deutschland – Wirecard-Prozesse spitzen sich zu
Der Wirecard Skandal – derzeit in der Aufarbeitung begriffen über ein Insolvenzverfahren, diverse Strafprozesse und einen Musterprozess – könnte im Herbst in seine juristisch entscheidende Phase gehen.
Während mehrere Tausend frühere Wirecard-Aktionäre in einem ab dem 22. November 2024 vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) in München geführten Musterprozess vor allem gegen die Wirtschaftsprüfergesellschaft EY klären lassen wollen, ob diese bei der Prüfung der Unterlagen von Wirecard noch fahrlässig oder bereits vorsätzlich gehandelt haben, hat der Insolvenzverwalter des Konzerns, Michael Jaffé, in den vergangenen Monaten gegen EY zumindest bereits einen Teilerfolg erzielt. Jaffé hatte in einem ersten Schritt EY auf die Herausgabe von Unterlagen verklagt, die klären sollen, wo und wie Wirecard genau geprüft worden ist. Im Juni 2024 war daraufhin nach mehreren Urteilen schließlich Einblick in rund 60.000 Akten gewährt worden. Abgeschlossen ist die Sache noch nicht, da der Anspruch wegen vorhandener Lücken und vieler Schwärzungen nach Angabe des Insolvenzverwalters nur „unzureichend" erfüllt worden sei, sodass die Klage weiterläuft.
Parallel dazu hat der Insolvenzverwalter eine Vielzahl von Zivilklagen auf den Weg gebracht, u. a. gegen frühere Manager, Geschäftspartner, Versicherer – und ebenfalls EY. Die genaue Schadenhöhe ist noch unklar, es handelt sich jedoch um mehrere Milliarden Euro.
Für alle Verfahren entscheidend wird am Ende nur sein, ob bei der Ausstellung des uneingeschränkten Testats für Wirecard vorsätzlich oder „nur“ grob fahrlässig gehandelt wurde. Für Wirtschaftsprüfer in Deutschland gilt in letzterem Fall eine Haftungsgrenze von maximal EUR 16 Mio. Diese gilt jedoch nicht bei vorsätzlichem Handeln.
Wirecard hatte am 25. Juni 2020 Insolvenz angemeldet, nachdem das Unternehmen eingestehen musste, dass seine Wirtschaftsprüfergesellschaft EY für das Jahr 2019 keine ausreichenden Nachweise über die Existenz von Bankguthaben im Wert von EUR 1,9 Mrd. gefunden hatte.
Europa – CSDDD-Richtlinie in Kraft getreten
Am 25. Juli 2024 ist die Richtlinie (EU) 2024/1760 über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) in Kraft getreten.
Damit sollen Unternehmen und bestimmte Gruppen verpflichtet werden, Menschenrechte und Umweltbelange in ihren sog. Aktivitätsketten zu beachten und Transitionspläne zu erstellen, um sicherzustellen, dass ihre Geschäftsmodelle mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, vereinbar sind.
Die Anwendung der Richtlinie erfolgt gestaffelt nach Anzahl der Mitarbeitenden und Jahresumsatz der Unternehmen. Findet die Richtlinie ab 2029 vollumfänglich Anwendung, erfasst sie Unternehmen bzw. Gruppen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 450 Mio. sowie branchenübergreifend Unternehmen bzw. Gruppen aus Drittstaaten mit gleichem Nettoumsatz in der EU.
Die in der Richtlinie festgelegten Sorgfaltspflichten folgen dabei einem risikobasierten Ansatz. Wenn schwere Auswirkungen auf die Umwelt oder Menschenrechte drohen oder trotz Maßnahmen bestehen bleiben, müssen Unternehmen nach der Richtlinie als letztes Mittel die Geschäftsbeziehungen mit dem Geschäftspartner sogar beenden.
Über die Umetzung der Richtlinie ist durch die Unternehmen bzw. Gruppen zu berichten. Ausgenommen sind Unternehmen, die bereits den Vorgaben der Corporate-Sustainability-Reporting-Directive (CSRD-Richtlinie) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen.
Eine Überwachung der Einhaltung soll – europaweit koordiniert – durch nationale Behörden erfolgen, die auch Bußgelder verhängen können. Geschädigte können zivilrechtlich Schadensersatz einklagen.
Die Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten bis zum 26. Juli 2026 umgesetzt werden. Die Bundesregierung hat angekündigt, sie noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, so „bürokratiearm wie möglich“ umsetzen zu wollen.
USA – Glyphosat-Streit bald vor dem obersten Bundesgericht?
Infolge eines neueren Urteils von August 2024 eines Bundesberufungsgerichts im US‑Bundesstaat Philadelphia (US Third Circuit of Appeals) prüft das deutsche Pharma- Unternehmen Bayer die Auswirkungen auf die noch anhängigen rund 100.000 Roundup-Prozesse. Das Gericht hatte entschieden, dass Gesundheitswarnungen auf den Etiketten von Pestiziden den Standards der nationalen Umweltschutzbehörde entsprechen müssen. Zuvor hatte ein anderes Berufungsgericht entschieden, dass es genüge, wenn sie den Vorgaben des jeweiligen Bundesstaates entsprächen. Entscheiden muss nun der Supreme Court. Dies könnte vorteilhaft für Bayer sein, da das Unternehmen dort im Mittel – wie generell in höheren Instanzen – öfter obsiegt als vor unteren Instanzen. Damit könnten auch die Chancen auf die Beilegung vieler der noch anhängigen Verfahren steigen.
Auslöser für das aktuelle Verfahren war die Klage eines Mannes, der behauptet hatte, das Pestizid Roundup des Tochterunternehmens von Bayer, Monsanto, hätte sein Non-Hodgkin-Lymphom verursacht. Diese bösartige Erkrankung des Lymphgewebes wird immer wieder von Klägern mit Roundup in Verbindung gebracht. Dessen Wirkstoff Glyphosat steht in hohem Maße in Verdacht, krebserregend zu sein – manche Untersuchungen scheinen eine solche Wirkung sogar zu belegen.
Bisher hat die Klagewelle im Zusammenhang mit Roundup, die durch die Bayer-Übernahme des Unternehmens Monsanto über den Konzern hereingebrochen ist, den Konzern rund USD 11 Mrd. gekostet. Weitere USD 16 Mrd. hat Bayer derzeit für weitere Klageverfahren und Vergleiche zurückgelegt.