Als am 8. April 1846 die Konzessionsurkunde zur Gründung der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft unterzeichnet wurde, befand sich Köln mitten in einem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Verkehrsgünstig am Rhein gelegen, profitierte Köln von der beginnenden Industrialisierung. Die entstehenden Fabriken und der Eisenbahnbau zogen Arbeitskräfte aus ganz Deutschland an. Allein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdoppelte sich die Zahl der Bevölkerung. Entsprechend hoch war der Versicherungsbedarf.
Bereits in der Einladung zur konstituierenden Sitzung zur Gründung der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft von 1842 in der Handelskammer heißt es, dass sich für den Sitz einer solchen Gesellschaft vorzugsweise „dieselben Plätze eignen, an denen Versicherungs-Gesellschaften vorhanden sind.“ Das war in Köln der Fall. Bereits 1817 war die Rheinschifffahrts-Assekuranz-Gesellschaft gegründet worden, die später in Agrippina umbenannt und heute Teil der Zurich Versicherungsgruppe ist. 1839 kam die Kölnische Feuerversicherungs-Gesellschaft hinzu, später als Colonia bekannt und heute Teil des AXA‑Konzerns. Auch in der Umgebung wurden weitere Versicherungsunternehmen gegründet, beispielsweise die „Vaterländische Feuerversicherungs-Gesellschaft“ 1822 in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal).
Ein weiterer Faktor, der Köln als Versicherungsstandort begünstigte, ist sicher in der Geschichte der Stadt zu suchen. Von 1794 bis 1814 stand Köln unter französischer Herrschaft. Zwar hatte die Stadt unter erheblichen Lasten dieser 20‑jährigen Besatzung zu leiden, gleichzeitig hatten die Reform des Rechtswesens mit der Einführung des Code Napoléon, die Emanzipation von Protestanten und Juden sowie die Aufhebung der Zünfte und die damit geltende Gewerbefreiheit im Jahr 1798 gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen, die für den Wirtschaftsstandort Köln zukunftsweisend waren. Dazu gehört auch der 1797 gegründete sog. Handelsvorstand, der seit 1803 nach französischem Vorbild als Handelskammer institutionalisiert wurde. Die Kölner Großkaufleute und Großgewerbetreibenden konnten mit diesem Gremium ihre Interessen artikulieren, abstimmen und durchsetzen. Es entstand ein selbstbewusstes unternehmerisches Bürgertum, das seinen Einfluss auf die Geschicke der Stadt auch dann behielt, als Köln auf dem Wiener Kongress 1815 dem Königreich Preußen zugesprochen wurde. Viele rheinische Unternehmer nutzten die wirtschaftlichen Chancen, die sich später mit der Gründung des Deutschen Zollvereins boten, und engagierten sich auch politisch als Parlamentarier und Berater.
Im Kreis dieser Unternehmer dachte man auch über die wachsenden Risiken nach, die mit dem Aufbau kapitalintensiver Fabrikationsanlagen und dem beispiellosen Bevölkerungswachstum verbunden waren. 1842 hatte ein verheerender Brand in Hamburg etwa 20 % des gesamten Gebäudebestandes vernichtet und damit vor Augen geführt, welche Ausmaße ein einziges Schadenereignis in Ballungsräumen annehmen konnte. Die Hamburger Feuerkasse, die wenige Jahre zuvor eine Neuwertversicherung eingeführt hatte, stand mit der Brandkatastrophe vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Schadensregulierung an die Eigentümer war letztlich nur durch die Aufnahme von Staatsanleihen zu bewältigen, deren Rückzahlung 40 Jahre in Anspruch nahm.
Der junge Unternehmer Gustav Mevissen (1815–1899), der seine Laufbahn in seinem Geburtsort Dülken in der Textilindustrie begann, zog 1841 nach Köln und widmete sich zahlreichen Geschäftsbereichen, u. a. dem Versicherungswesen. Er erkannte, dass die klassischen Instrumente der Risikoteilung nicht mehr ausreichten, um den Herausforderungen der Gegenwart standzuhalten. Vor allem auf seine Initiative entstand die Idee, mit einer unabhängigen, internationalen und professionellen Rückversicherung eine zukunftsfähige Risikostreuung zu erreichen. Mevissen gelang es nicht nur, die Widerstände der preußischen Behörden zu überwinden, er fand auch namhafte Mitstreiter, die schließlich beachtliche 3 Millionen Taler (heute etwa 90 Millionen Euro) Anfangskapital zur Gründung der Gesellschaft aufbrachten. Darüber hinaus verfasste er die Statuten der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft und gilt daher zu Recht als ihr Gründer.
Betrachtet man die Einladung zur konstituierenden Sitzung zur Gründung der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft von 1842 in der Handelskammer genauer, fallen sogleich herausragende Namen der damaligen Kölner Unternehmenswelt auf: Ludolf Camphausen, damaliger Präsident der Kölner Handelskammer und Bankier, Karl Joseph DuMont, Kaufmann, Philipp Engels, Kaufmann, Damian Leiden, Weingroßhändler, Peter Heinrich Merkens, Versicherungskaufmann, Gründer der „Rheinschifffahrts-Assekuranz-Gesellschaft“ und Teilhaber der Kölnischen Feuerversicherungs-Gesellschaft „Colonia“, Simon Oppenheim, Bankier des gleichnamigen privaten Bankhauses, Karl Eduard Schnitzler, Bankier bei Bankhaus Stein, sowie Heinrich Ziegler, Bankier und Teilhaber des Bankhauses Herstatt. Es waren demnach Vertreter von vier großen Kölner Bankhäusern und bedeutende Großkaufleute der Stadt anwesend.
Für den Versicherungshistoriker Peter Koch sind es gerade diese in mehreren Bereichen zugleich wirkenden Unternehmerpersönlichkeiten, die den Erfolg der rheinischen Assekuranz im 19. Jahrhundert begründet haben.2 Als Geschäftsleute, Investoren und Firmengründer riefen sie eine Gesellschaft ins Leben, die mit dem ersten unterzeichneten Rückversicherungsvertrag von 1852 (mit der Vaterländischen Feuerversicherungs-Gesellschaft in Elberfeld) Versicherungsgeschichte geschrieben hat.
Heute, nach 175 Jahren, lebt die Kölnische Rückversicherungs-Gesellschaft AG in der General Reinsurance AG fort. 1994 schlossen die General Re® und die heute unter General Reinsurance AG firmierende Kölnische Rück eine Kooperation. Die Holding-Gesellschaft, General Re Corporation, wurde 1998 von Berkshire Hathaway Inc. übernommen. Seit 2003 betreiben General Re und Kölnische Rück ihr Geschäft unter dem gemeinsamen globalen Markennamen Gen Re.
Gemeinsam zum Erfolg
Dies ist ein besonderes Jahr für die Gen Re: Wir feiern 100 Jahre als einer der führenden Rückversicherer in den USA – und 175 Jahre der Kölnischen Rück (jetzt General Reinsurance AG), dem ältesten Rückversicherer der Welt.
Wir sind stolz auf diese wichtigen Meilensteine, die wir selbstverständlich nicht im Alleingang erreicht haben. In diesem Jahr möchten wir all jenen danken, die zu unserem Erfolg beigetragen haben.
Mit dem Zusammenschluss von General Re und Kölnische Rück in den 1990er-Jahren und der anschließenden Akquisition durch die Berkshire Hathaway Inc. wurde schließlich eine weltweit führende Rückversicherungsgruppe geschaffen, die den langfristigen Zeithorizont, die Finanzkraft und die Expertise mitbringt, um Kunden überall auf der Welt erstklassigen Rückversicherungsservice zu bieten.
Die lange Geschichte der Gen Re ist von Resilienz, Wandel und Innovationskraft geprägt. Darauf können wir in dieser außergewöhnlichen Zeit zurückgreifen. Ohne Zweifel sind neue Lösungen und das Zusammenwirken aller erforderlich, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen.
Dabei ist es uns ein Kernanliegen, Sie tagtäglich durch unsere Versicherungsexpertise auf vielfältige Weise in Ihrem Geschäft zu unterstützen. Im Bereich der Lebens- und Krankenversicherung steht Ihnen unser erfahrenes Team zur Verfügung, und Sie sind eingeladen, sich an mich und meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Marktbereich Leben/Kranken Deutschland zu wenden. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und künftige gemeinsame Erfolge mit Ihnen!
Michael Otto, Leiter Marktbereich Leben/Kranken Deutschland
Endnoten
- © Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_205378 https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05150084
- Koch, P. (1986). Versicherungsplätze in Deutschland: Geschichte als Gegenwart. Wiesbaden: Gabler.