Die heutige globale Wirtschaft ist grundlegenden Änderungen unterworfen. Berichte über Fortschritte in der IT-Branche und bei der Datenanalyse – meistens unter Verwendung des Begriffs „Digitalisierung“ – sind allgegenwertig. Die Frage, auf welch unterschiedliche Weise Versicherer und fast alle Branchen von der Digitalisierung betroffen sind, steht im Vordergrund. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Supercomputer handelt, die zur Entschlüsselung hochkomplexer Genome eingesetzt werden, oder die Optimierung von Wertschöpfungsketten im Mittelpunkt steht: Digitalisierung erzeugt hocheffiziente und spezialisierte Prozesse.
Mit Blick auf die Versicherungsbranche und vor allem die Risikoprüfung ergeben sich Chancen für einen grundlegenden Wandel der Art und Weise, Prozesse anzugehen. Der Ablauf der Risikoprüfung wird sich unweigerlich ändern – sei es durch Online-Anträge, durch vereinfachtes „simplified underwriting“ oder durch eine fortschrittlichere Datenanalyse – beispielsweise durch die Verwendung und Einbindung von Gesichtserkennungsverfahren in den Antragsprozess. Um welche Entwicklungen es sich konkret handeln wird und wie sich diese letztendlich auf unsere Branche auswirken, ist dabei noch nicht hundertprozentig vorauszusehen. Jedoch wissen wir, als Vertreter der „millenial“ Generation Y, nur allzu gut, dass es mit der bloßen Einstellung eines Social-Media-Managers allein nicht getan ist. Der erste Schritt ist vielmehr, die Notwendigkeit der Digitalisierung anzuerkennen und eine umfassende Strategie zur Umsetzung zu konzipieren. Nur so kann eine Anpassung an ein neues digitales Umfeld, in dem der Kunde im Mittelpunkt steht, gelingen.
Datenanalyse als Fundament der Risikoprüfung
Big Data ist beim Thema Digitalisierung das am häufigsten genannte Buzzword. Auch wenn schwer greifbar, hat der Begriff das Potenzial, den Blick der Risikoprüfer auf die Antragsteller grundlegend zu ändern. Big Data steht stellvertretend für die verschiedenen Datenformen, die aus einer Vielzahl von Quellen (Wearables, Social Media, Standortbestimmung, elektronische Patientenakten usw.) erfasst und analysiert werden können. Big Data ist jedoch auch ein großer Wirtschaftszweig an sich. Der Analytikmarkt wird bis 2020 eine jährliche Wachstumsrate von voraussichtlich 11,9 % mit erwarteten Einnahmen von 210 Mrd. USD pro Jahr verzeichnen.1 An folgendem Beispiel lässt sich dies noch besser veranschaulichen: „Die 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt erwirtschafteten im Jahr 2016 einen Jahresumsatz von 27,7 Bio. USD und einen Gewinn von 1,5 Bio. USD.“2
Zwar ist noch nicht geklärt, welche die nützlichsten Datenquellen für Risikoprüfer in der Zukunft sein werden, jedoch ist sicher, dass die Sammlung und Bereinigung der Daten sowie die daraus resultierende Analyse eine erhebliche Rechen- und Verarbeitungskapazität voraussetzen. Höchstwahrscheinlich wird die momentan bestehende biometrische Risikoprüfung zwar nie in Gänze durch neue Technologien ersetzt werden; aber zusätzliche Datenquellen mit geeigneten Modellen und Vorgaben werden zunehmend die Beurteilung und Vorhersage von Risiken ergänzen. Das heißt wiederum, dass mehr Datenanalysten in den Prozess der Risikoprüfung eingebunden werden müssen.
Big Data sowie Digitalisierung sind jedoch mit unvollständigen und nicht bereinigten Datensätzen so gut wie nutzlos. Eine Hürde, die hierbei überwunden werden muss, ist, das Vertrauen von Kunden für diese Thematik zu gewinnen. Nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens kann Kunden der gegenseitige Nutzen eines Datenaustausches und Datenteilens verständlich vermittelt werden. Der Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen ist dabei essenziell. Die Angst des Kunden, welche mit einer Weitergabe von persönlichen Daten verbunden ist, kann durch einen korrekt und sorgfältig abgewickelten Prozess eine Win-Win-Situation herbeiführen.
Die versicherte Person kann von hoch spezialisierten Produkten profitieren, dank derer zuvor nicht versicherbare Personen einen Versicherungsschutz erwerben können. Die Versicherer wiederum profitieren von individualisierten Datensätzen, auf deren Grundlage sie neue und innovative sowie auf Einzelpersonen abgestimmte Produkte entwickeln können. Dennoch bleibt eine entscheidende Fragen offen: Wo genau in der Risikoprüfung lässt sich die Datenanalyse vorteilhaft einbinden? Wir haben drei vielversprechende Bereiche identifiziert:
Assistierte und gezielte Risikoprüfung
Eine erfolgreiche Risikoprüfung erfordert unkomplizierte Antragsformulare und Fragebögen, die auf eine effizientere Nutzung von Daten abzielen. Versicherer sollten sich bei der Erstellung von Antragsfragebögen für die assistierte und gezielte (smarte) Risikoprüfung an bestimmte Grundregeln halten: Jeder Schritt des Antragsprozesses und jede Frage an den Antragsteller sollte auswertbare Datenpunkte liefern können, die die Grundlage für künftige Produkt(weiter)entwicklungen bilden. Kurzum: Antragsformulare sollen so konzipiert werden, dass sie automatisiert verarbeitet und analysiert werden können. Ein entscheidender Vorteil ist dabei, dass dies dem Versicherer Zeit und Ressourcen und (vielleicht am wichtigsten) dem Antragsteller eine Menge Frustration im Antragsprozess ersparen kann.
Fortschritte in Biotechnologie und Medizin
Fortschritte in der Medizin und Biologie ermöglichen es uns, Krankheiten effizienter zu heilen und unseren eigenen Körper besser zu verstehen. Einer der dabei grundlegenden Aspekte ist die Entschlüsselung und Nutzung von Informationen des menschlichen Genoms. Die in den 70er-Jahren begonnene Forschung in diesem Bereich resultierte in dem Meilenstein Humangenomprojekt: der Entschlüsselung des genetischen Codes des Menschen (DNA). Was einst Jahre in Anspruch nahm, erfolgt heute in unvorstellbar kurzer Zeit.
Eine ähnliche Entwicklung im Bereich von IT und Speichertechnologien – die zulässt, die einst mehrere Millionen Dollar teure mehrjährige Entschlüsselung des menschlichen Genoms heute in wenigen Stunden für einige hundert Dollar durchzuführen – ermöglicht es, dass Ärzte bessere Diagnosen stellen und somit Krankheiten effizienter heilen können. Mithilfe von Datenanalyse können eine Vielzahl neuer Produkte geschaffen werden, welche – gezielt eingesetzt – konkret auf die Bedürfnisse von Kunden abgestimmt werden können.
Auch aus diesem Grund müssen neuartige Techniken zur verbesserten Diagnosestellung in großem Umfang entwickelt werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Kunden aufgrund von neuartigen Verfahren wie der billigeren Entschlüsselung des Genoms heutzutage mehr über ihre eigene Gesundheit wissen als ihre Versicherung, was gegebenenfalls zu einer vermehrten Antiselektion führen kann. Nichtsdestotrotz sind uns die mit einer Nutzung von genetischen Informationen verbundenen Hürden in der Gesetzgebung in verschiedenen Ländern bewusst.
Instagram und Depression
In einer kürzlich veröffentlichten Studie analysierten Wissenschaftler aus Harvard und der University of Vermont (UVM) die von Instagram-Nutzern geposteten Fotos nach Aspekten wie Sättigungsgrad, Farbton und Helligkeit („Filter“). Je nach Art der gewählten Filter konnten sie Rückschlüsse auf die psychische Verfassung der jeweiligen Nutzer ziehen.5 „Resulting models outperformed general practitioners’ average unassisted diagnostic success rate for [detecting] depression.”
Die Einbeziehung von sozialen Netzwerken in den Risikoprüfungsprozess stellt eine Möglichkeit dar, die Einschätzung von Versicherungsanträgen generell zu überdenken.
Informationen aus den sozialen Netzwerken
Für manche gesundheitliche Risiken gibt es keine Labortests, die aufzeigen können, ob ein Antragsteller gefährdet ist. Ein gängiges Beispiel sind psychische Erkrankungen von Versicherten, welche zum Zeitpunkt der Risikoprüfung nur schwer zu erkennen sind und im Leistungsfall jedoch von größter Bedeutung sein können. Die Analyse von personenbezogenen Daten aus den sozialen Netzwerken kann dabei entscheidende, über die eigentlichen Arztberichte hinausgehende, Informationen und Hinweise liefern, die (in Kombination mit Informationen aus den Patientenakten eines Antragstellers) vorhandene psychische Probleme vorhersagen können. In einer kürzlich durchgeführten Studie identifizierten Wissenschaftler Depressionsmarker, indem sie Instagram-Feeds mittels maschinellen Lernens analysierten.3 Je mehr Aspekte wie Social Media, GPS, mobile Gesundheitsdaten sowie weitere online verfügbare Informationen Einzug in unser tägliches Leben halten, umso mehr gewinnt die Nutzung der digitalen Informationen und die Verbindung der einzelnen Datenpunkte, welche auf potenzielle Risiken hinweisen können, an Bedeutung. Weitere neue Technologien – wie beispielsweise Gesichts- und Spracherkennung – eröffnen neue Möglichkeiten bei der Auswertung großer Datenmengen (Data-Mining) aus den sozialen Netzwerken, welche in Kombination mit der Erfassung von Kaufgewohnheiten neue Vertriebsmöglichkeiten schaffen können. Auch die Analyse bereits bestehender Policen des Antragstellers kann dabei wertvolle Hinweise liefern. So fand ein Versicherer beispielsweise vor Kurzem heraus, dass Kunden, die eine Lebensversicherung abgeschlossen hatten, für eine Kfz-Versicherung ein geringeres Risiko darstellten.4 Ähnliche Arten der Datenanalyse könnten zusätzliche Einblicke in Risiken von Gruppen oder Einzelpersonen bieten.
Dabei ist es jedoch notwendig, mit diesen Informationen sensibel und vertrauensvoll umzugehen; Datenschutz, die Achtung von Privatsphäre und Cybersicherheit sind entscheidende Punkte, die bei der Verbesserung der Risikoprüfung und im Antragsprozess berücksichtigt werden müssen.
Vertrauensaufbau als Grundlage für den Datenzugriff
Die Grundvoraussetzung für eine vernünftige Datenanalyse sind korrekte Parameter und Informationen hinsichtlich der zu analysierenden Daten. Während für den Umgang mit medizinischen Daten bereits Gesetze, Vorschriften und z. T. Systeme existieren, ist die Nutzung von personenbezogenen Daten in der biometrischen Risikoprüfung weniger reguliert. Eine explizite Zustimmung des Kunden ist dabei oftmals erforderlich. Im Laufe der Zeit müssen Kunden dazu gebracht werden, den Zugang zu immer wichtiger werdenden Informationen aus Social-Media-Accounts sowie Kaufgewohnheiten oder Standortinformationen etc. zu autorisieren. Die nächste große Hürde nach dem Erstellen eines Datenanalyse- bzw. Digitalisierungssystems ist demnach, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, damit diese den Versicherern Zugriff zu ihren Daten gewähren.
Um der Zurückhaltung von Kunden hinsichtlich der Weitergabe dieser Daten entgegenzuwirken, müssen Versicherer überdenken, wie sie das Vertrauen ihrer Kunden (zurück-)gewinnen können. Die entscheidenden Grundlagen sind hierbei strikte Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien der Versicherer sowie die Entwicklung von Leitlinien im Umgang mit personenbezogenen Daten, welche die Eckpfeiler des Versicherungsgeschäfts darstellen. Dabei ist es für die Erhaltung vertrauensbasierter Kundenbeziehungen von essenzieller Bedeutung, die Kunden verstärkt auf diese Verfahren aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein für diese Themen zu schaffen. Vergangene branchenübergreifende Versäumnisse in diesem Bereich verdeutlichen, wie wichtig es ist, dem Thema „Aufbau des Kundenvertrauens“ die höchste Priorität einzuräumen.
Dieser Mangel an Vertrauen lässt sich anhand zahlreicher Beispiele aufzeigen. Bei einer von Deloitte durchgeführten Studie waren nur 50 % aller Befragten bereit, mit ihrer Versicherung gesundheitsbezogene Daten zu teilen (siehe Artikel „The Future of Insurance“ der Gen Re).6,7 Laut einer 2015 von Accenture durchgeführten Studie glaubte die Mehrheit der Kunden in Westeuropa nicht, dass ihre personenbezogenen Daten online sicher sind, und 90 % aller Kunden äußerten Bedenken hinsichtlich der Sicherheit ihrer Online-Bezahltransaktionen.8,9 Um der Kundenvertrauen-Thematik gerecht zu werden, haben wir uns die Ursachen angesehen und zwei entscheidende Punkte herausgestellt:
Das Imageproblem der Versicherungsbranche
Das durchwachsene Image der Versicherungsbranche ist ein globales Problem, welches am stärksten in gesättigten Märkten ausgeprägt ist. Laut des 2014 von Ernst & Young durchgeführten Global Insurance Survey ist das Vertrauen in die Versicherungsbranche beständig niedriger als in die meisten anderen Branchen, wobei Versicherer in Europa und Australien am schlechtesten abschneiden. Der Versicherungssektor wird dabei von der Pharmabranche flankiert.10 Dies ist insofern besonders besorgniserregend, da beide Bereiche sich mit dem elementaren Teil des Menschen befassen – dem Leben an sich.
In dem 2016 von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herausgegebenen Bericht „Global Insurance Market Trends Report“ ist dieser Mangel an Vertrauen im Rückgang der Bruttoprämien in Europa als Folge von Wucher-Versicherungsverkäufen am deutlichsten zu sehen. In Europa waren die fünf größten Rückgänge in der Slowakei (-8,7 %), der Tschechischen Republik (-12,4 %), in Luxemburg (-14,0 %), in den Niederlanden (-16,4 %) und in Portugal (-17,6 %) am sichtbarsten. In den aufstrebenden Märkten, insbesondere in Teilen von Lateinamerika sowie Asien, ist der Versicherungsmarkt weniger gesättigt; demzufolge sind Verluste aufgrund von Vertrauensfragen dort noch nicht so offensichtlich.11
Darüber hinaus fürchten viele langjährige Kunden, insbesondere im Lebensversicherungsbereich, dass ihre Verträge weiterverkauft werden könnten. Dies widerspricht ihrer Überzeugung, dass sie ihre Police – beruhend auf gegenseitiger Loyalität – mit dem Versicherer abgeschlossen haben; das kann in traditionellen Märkten sogar eheähnliche Dimensionen annehmen.
Datenschutz ist von zentraler Bedeutung
Die Befürchtungen vieler Kunden bzgl. der unsachgemäßen Datenspeicherung und (Weiter-)Nutzung ihrer Daten sind nicht unbegründet. Die täglichen Schlagzeilen in den Zeitungen oder im Fernsehen verdeutlichen die Gründe dafür nur allzu gut. 2017 wurde die Wirtschaftsauskunftei Equifax aufgrund von Versäumnissen in der IT-Infrastruktur gehackt und der Datenschutz so verletzt: Sensible, personenbezogene Daten von über 140 Millionen Menschen fielen in die Hände der Hacker.12 Dies ist nur einer von vielen Sicherheitsmängeln, die in letzter Zeit öffentlich wurden, bei denen unsachgemäß gesicherte Kundendaten in die falschen Hände gelangten oder an den Meistbietenden im Darkweb verkauft wurden.
In vielerlei Hinsicht ist die Versicherungsbranche jedoch ihrer Zeit schon voraus, denn schließlich handhabt sie schon seit Jahrzehnten Kundendaten mit medizinischem Inhalt. Um jedoch das über die Zeit aufgebaute Vertrauen der Kunden zu wahren, müssen im digitalen Zeitalter die Datensicherheit und der Datenschutz vollständig gewährleistet sein.
Je mehr personenbezogene Angaben von Kunden erfasst werden, umso gravierendere und potenziell schädlichere Folgen können die Auswirkungen von Sicherheits- und Datenschutzverletzungen haben. So sind einzelne Staaten dabei, ein Sozialkreditsystem auf der Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Status von Einzelpersonen und Unternehmen zu etablieren – je höher das Rating, umso niedriger fallen beispielsweise die Steuersätze aus und bessere Kreditvergabevoraussetzungen können die Folge sein. Diese Systeme bezwecken primär eine Marktregulierung mithilfe von Big Data. Das Eindämmen illegaler Handlungen durch Marktteilnehmer, mehr Transparenz in der Abwicklung von Geschäften, weitere Entwicklungen im Bereich Analytik und das Generieren riesiger Datenmengen wären mögliche positive Folgen. Im Gegensatz dazu müssen Strategien erarbeitet und angewendet werden, welche Risiken des Datenmissbrauchs, nicht transparenter Algorithmen und eine hohe Fehleranfälligkeit in den frühen Etablierungsphasen einschränken.13
Unseres Wissens nach hat es bisher kein staatlich gefördertes Modell über die Phase des Maßnahmenvorschlags bzw. einer Pilotphase hinaus geschafft, aber in einigen Ländern wurden von Privatunternehmen bereits verschiedene soziale Scoring-Systeme eingeführt, die über die bereits bestehenden und bekannten Systeme hinausgehen. Das Scoring beschränkt sich dabei nicht nur auf Finanzdienstleistungen, sondern kann beispielsweise auch die Vertragskonditionen für Autovermietungen festlegen oder in weitere Bereiche des öffentlichen Lebens eingreifen. Das System hat sogar Anwendung in der Flughafensicherheit gefunden – es belohnt besonders kreditwürdige Personen mit einem Expressverfahren bei den Sicherheitskontrollen.14 Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis Versicherungsgesellschaften nachvollziehbarerweise diese Daten ebenfalls verwenden; beispielsweise könnten diese Informationen in Kombination mit vollständigen elektronischen Patientenakten dem Versicherer von Nutzen sein. Eine Erfassung personenbezogener Kundendaten ist daher für eine zukünftige „digitale“ Unternehmensausrichtung unausweichlich, um die Vorteile der Datenanalyse voll auszuschöpfen. Umso mehr sollte jedoch im Vordergrund stehen, dass diese Daten nicht nur für den Versicherer, sondern insbesondere auch für die Kunden einen Nettogewinn darstellen – ohne deren Sorge um eine übermäßige Transparenz.
Diese Art von Nachrichten schürt die latente Angst vieler Menschen hinsichtlich der immer größer werdenden Tragweite von Social Media und der exponentiell steigenden Datenflut, die wir online generieren, und wie diese unser Offline-Leben beeinflusst. Es sind jedoch nicht nur dystopische (oder utopische?) Nachrichten, die Ängste generieren. Filme und Fernsehsendungen leisten ebenfalls ihren Beitrag zu dieser – z. T. auf die Spitze getriebenen – Debatte, wie z. B. in einer Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“ („Nosedive“) zu sehen ist. In dieser Folge geht es um eine junge Frau, die in einer Gesellschaft in der nahen Zukunft lebt. Jede menschliche Interaktion wird anhand implantierter Technologie auf einer Ratingskala bewertet. Je höher die Bewertung, umso mehr Vergünstigungen genießt eine Person, beispielsweise beim Kauf von Luxusapartments, bei Flugbuchungen oder beim Mieten eines Autos, bis hin zur Berechtigung zu medizinischer First-Class-Behandlung.15
Natürlich sind wir von einer solchen Gesellschaft noch vergleichsweise weit entfernt, aber Film und Fernsehen vermitteln uns schon jetzt einen guten Eindruck dessen, wie ein System aussehen könnte, in dem alles von Algorithmen und Datenpunkten bestimmt wird, über die wir nur wenig Kontrolle haben.
Gen Res Ansatz und Ausblick
Gen Re geht es nicht um die Einbindung eines umfassenden sozialen Scores in die Risikoprüfung – denn wir verfolgen eine gezieltere digitale Strategie. Je mehr wir im richtigen Kontext über einen Antragsteller wissen, umso besser können wir das Risiko einschätzen. In unserem Bestreben, die Vorteile der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen, entwickeln wir vielmehr Prozesse für eine digitale Datenverarbeitung und ruhen uns nicht auf unseren Verdiensten aus der Vergangenheit aus.
Nicht-traditionelle Akteure drängen vermehrt in die Öffentlichkeit und stehen davor, die Branche grundlegend umzukrempeln. Diese gehen über Start-ups hinaus und machen sich Technologien und Systeme zunutze, die es in dieser Art zuvor noch nicht gegeben hat. Die Unternehmen verfügen über erhebliche finanzielle Ressourcen und eine langjährige Expertise im Bereich der Datenanalyse. Und noch bedeutender: Ihnen steht bereits eine Fülle von Kundendaten zur Verfügung. Keine digitale Strategie und keinen konkreten Plan für den Erwerb und die Nutzung potenzieller personenbezogener Datenquellen zu haben, ist für uns keine Lösung. Die Versicherungsbranche muss sich an der Steuerung und Vorgabe zukünftiger Richtlinien und Standards im jeweiligen regulatorischen Rahmen einzelner Märkte beteiligen und positionieren.
Auch wenn Kunden teilweise nur generelle Sorgen hinsichtlich der Weitergabe von Daten an Unternehmen haben, ist es für Versicherer maßgeblich, das Vertrauen zu Kunden weiter zu stärken. Auf diese Weise wird der Zugriff auf nicht biometrische Informationen erleichtert, die bei der künftigen Risikoprüfung hilfreich sein können. Gen Re beteiligt sich bereits an verschiedenen Insurtech-Start-ups und -Initiativen und erarbeitet Möglichkeiten für die Nutzung von neuen datenbasierten digitalen Technologien im Bereich der Lebens- und Krankenversicherung. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Ihrer Organisation eine maßgeschneiderte Expertise anzubieten – sei es mittels der Unterstützung zu Themen wie Blockchain, innovativen Technologie-basierten Lösungen im Gesundheitswesen oder bei der Entwicklung neuer Vertriebswege für Versicherungsprodukte und Kundenansprache.
Offenheit ist wichtig; eine klare Richtung, in welche sich Digitalisierungsbestrebungen entwickeln, ist immer noch nicht abzusehen. Noch ist es unklar, ob der Hype bezüglich einzelner neuer Technologien oder Systeme zu konkreten Änderungen im Bereich der Risikoprüfung führen wird oder nicht. Eine offene, agile Haltung, gekoppelt mit der Fähigkeit, das Optimum aus Datensätzen herauszuholen, ist die beste Strategie. Mit der Einführung neuer Standards steigt die Notwendigkeit, eine Infrastruktur zu schaffen, die von Anpassungsfähigkeit und Flexibilität geprägt ist, um maximal von der Digitalisierung profitieren zu können.
Was auch immer die digitale Zukunft bringt – das Vertrauen Ihrer Kunden steht an vorderster Stelle. Nur wenn es gelingt, eben dieses Vertrauen zu stärken, hat Ihr Unternehmen letztendlich die Fähigkeit und Flexibilität, auf Marktänderungen und -entwicklungen zu reagieren und den Kunden auf diesen Weg erfolgreich mitzunehmen.