Am 12. Mai hat der Deutsche Bundesrat dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zugestimmt. Es regelt die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für das automatisierte Fahren der Stufen 3 und 4 – hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktion1 – in Deutschland.
Stufen des automatisierten Fahrens
Das Gesetz, das am 30. März bereits vom Deutschen Bundestag beschlossen worden war, ermöglicht den Betrieb von Fahrzeugen mit über die Stufe 2 („teilautomatisiert“) hinausgehenden automatisierten Fahrfunktionen. Derjenige, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, bleibt allerdings auch dann, wenn er das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert, Fahrer („Fahrzeugführer“) i. S. des Gesetzes und damit in der Verantwortung.
Fahrer von Fahrzeugen mit aktivierter hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion dürfen sich ab Inkrafttreten des Gesetzes „vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden“. Dabei muss der Fahrer allerdings „derart wahrnehmungsbereit bleiben“, dass er die Fahrzeugführung jederzeit wieder übernehmen kann, wenn das System ihn hierzu auffordert oder wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktion nicht mehr vorliegen.
Eine „black box“ zeichnet die Fahrdaten auf, insbesondere ob das Fahrzeug durch den Fahrer oder mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion gesteuert wird, so dass nach einem Unfall die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann.
Das Gesetz sieht vor, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nach Ablauf des Jahres 2019 das Gesetz auf wissenschaftlicher Grundlage evaluieren wird, um es ggf. an weitere technische Entwicklungen anzupassen. Auch könnte dann u. a. die Haftungsfrage erneut aufgegriffen werden. Das „StVG neu“ hat es beim jetzigen deutschen Haftungssystem (Gefährdungshaftung des Halters, Haftung des Fahrers für vermutetes Verschulden) belassen; lediglich für den Fall, dass ein Unfall durch die hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion verursacht wurde, hat der Gesetzgeber die in § 12 StVG festgelegten Haftungshöchstbeträge verdoppelt (auf EUR 10 Mio. für Personenschänden und auf EUR 2 Mio. für Sachschäden). Der Empfehlung des Bundesrats, die Gefährdungshaftung des StVG auf die Hersteller von Fahrzeugen mit hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktion auszuweiten,2 war der Bundestag nicht gefolgt. Auch Fragen des Datenschutzes dürften erneut auf den Prüfstand kommen.
Die mit dem „StVG neu“ erfolgte Regelung der straßenverkehrsrechtlichen Erfordernisse für den Einsatz automatisierter Fahrfunktionen über die Stufe 2 („teilautomatisiert“) hinaus ist für die deutsche Automobilindustrie von höchster Bedeutung. Auch legt das Gesetz gewissermaßen den Grundstein für die zukünftige Entwicklung eines Regelwerks für autonome („fahrerlose“) Fahrzeuge (Stufe 5).
Hinsichtlich der zulassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge besteht noch Handlungsbedarf. Von besonderer Bedeutung ist die noch nicht abgeschlossene Revision der ECE-R 79. Diese regelt den Bereich der Lenkanlagen und lässt Systeme, die automatisierte und kontinuierliche Lenkeingriffe vorsehen, nur für Geschwindigkeiten bis zu 12 km/h (10 km/h plus 20 % Toleranz) zu.3
Eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums4 prognostiziert für das Jahr 2025 eine Wertschöpfung im Bereich der Fahrerassistenzsysteme und des automatisierten Fahrens in Höhe von EUR 8,789 Mrd. und die Entstehung von fast 230.000 Arbeitsplätzen. Es verwundert daher nicht, dass auf sämtlichen Rechtsebenen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Einführung automatisierter Fahrzeuge zu ermöglichen.5
Endnoten
- Mit dem „StVG neu“ weicht der deutsche Gesetzgeber von der international gebräuchlichen Nomenklatur des SAE ab, wodurch es für den ausländischen Beobachter zu Missverständnissen über die Rechtslage in Deutschland kommen kann. Die Bundesanstalt für Straßenwesen („BASt“) hat sich vor einigen Jahren für z. T. eigenständige Bezeichnungen für die Stufen des automatisierten Fahrens entschieden, die von den SAE-Bezeichnungen abweichen bzw. andere Zuordnungen vornehmen. Erfreulicherweise sind die textlichen Erklärungen für die diversen Stufen nach BASt und SAE identisch oder materiell deckungsgleich. Gegenüberstellung der Begrifflichkeiten:
- In diesem Sinn auch Schubert, Autonome Fahrzeuge – Vorüberlegungen zu einer Reform des Haftungsrechts, PHi 2015, 46 ff.; 49 f.
- Lutz, Automatisierte Fahrzeuge, Änderungsbestrebungen im Zulassungs- und Verhaltensrecht, PHi 2016, 2 ff.
- http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/H/hochautomatisiertes-fahren-auf-autobahnen.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 5)
- Lutz, a. a. O. (Fn. 3), 2.