Als Apple seinen berühmten Slogan „There’s an app for that“ (Dafür gibt es eine App) im Jahr 2010 urheberrechtlich schützen ließ, ahnten wohl nur die wenigsten, wie sehr der amerikanische Softwaregigant hier recht behalten sollte.
Laut einer Studie, die 2019 im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde, gibt es schätzungsweise 165.000 bis 325.000 Apps rund um die Themen Gesundheit und Wohlbefinden, wovon alleine mehr als 10.000 auf die Verbesserung der psychischen Gesundheit abzielen. Tendenz weiter steigend.
Auf den ersten Blick eine äußerst positive Entwicklung, welche aber auch mit Risiken verbunden ist. Zum einen wird es zunehmend schwerer, im mittlerweile unübersichtlichen „App-Dschungel“ den Überblick zu behalten und genau jene Anwendung zu finden, welche am besten auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Nutzers abgestimmt ist. Zum anderen darf nicht verhehlt werden, dass durch das digitale Gesundheitsmanagement ein neuer und monetär durchaus lukrativer Wirtschaftszweig entstanden ist, welcher nicht ausschließlich seriöse Anbieter auf den Plan ruft.
Umso höher stuften wir die Notwendigkeit ein, unseren Lesern Hilfestellungen für die Wahl einer geeigneten App an die Hand zu geben, wobei wir v. a. zwei wichtige Fragen beantworten möchten: Welche Kriterien kann man ansetzen, um die Qualität und Wirksamkeit von Mental Health-Apps zu bewerten? Und für welche Zwecke können diese am effektivsten eingesetzt werden?
Bewertungskriterien für Mental Health Apps
Um die Qualität und Angemessenheit einer App besser einschätzen zu können, stellen sich zunächst viele grundsätzliche Fragen, von denen einige vielleicht sogar auf der Hand liegen.
So sollte man zunächst einmal klären, für welche Zielgruppe und Indikation die App überhaupt entwickelt wurde: Dient die Anwendung zum Beispiel zur Behandlung von Menschen, die an einer bestimmten psychischen Störung leiden, oder richtet sie sich an eine gesunde Zielgruppe? Gibt die App lediglich Tipps für alltägliche Probleme? Oder enthält sie primär wissenschaftlich fundierte Informationen über eine psychische Erkrankung, sodass sie zur Psychoedukation entwickelt wurde? Vielleicht dient sie aber auch zur Prävention, beispielsweise um zu verhindern, dass Menschen, die sich gestresst oder ausgelaugt fühlen, eine Depression oder eine andere psychische Störung entwickeln?
Wichtig ist aber auch zu prüfen, ob die App eigenständig, das heißt ohne ärztliche oder therapeutische Begleitung, genutzt wird oder ob sie parallel zu einer konventionellen Behandlung zum Einsatz kommt bzw. in eine solche integriert wird.
Als weiterer wichtiger Bewertungsfaktor sei beispielhaft der Grad der Individualisierung erwähnt. Hier wäre es wünschenswert, wenn die integrierten Übungen und Informationen individuell auf den Nutzer abgestimmt werden. Viele Apps passen sich aber leider (noch) nicht den individuellen Eingaben des Nutzers an, sondern erzeugen standardisierte und starre Aufgabenmuster.
Dies sind nur einige Beispiele, auf die sie achten sollten. Die aus unserer Sicht und nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand relevanten Qualitätskriterien können Sie der nachfolgenden Checkliste entnehmen. Hiermit können Sie Ihren Versicherten bei der Auswahl der für ihn am besten geeigneten App unterstützen.
Alles hat seine Zeit und seinen Ort
Neben der Frage, was eine gute Mental Health-App ausmacht, haben wir zudem darüber nachgedacht, in welchen Fällen eine solche überhaupt am wirkungsvollsten eingesetzt werden kann. Die vielversprechendsten Anwendungszwecke sind aus unserer Sicht:
- zur Wartezeitüberbrückung vor Beginn einer Therapie
- als sinnvolle Ergänzung zu einer laufenden Therapie
- zur Prävention
- zur Rückfallprophylaxe
Insbesondere den Aspekt der Wartezeitüberbrückung erachten wir als besonders praxisrelevant, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Wartezeit auf den Beginn einer Richtlinienpsychotherapie in Deutschland weiterhin knapp fünf Monate beträgt. Mithilfe einer passenden App kann sich der Versicherte in der Zwischenzeit nicht nur umfassend über seine Erkrankung informieren, sondern bereits therapeutische Übungen in seinen Alltag integrieren. Dies bietet nicht nur Struktur, sondern kann vor allem bei leichtgradigen Störungsbildern möglicherweise dazu führen, dass er sich motivierter und gesünder fühlt und wieder mehr Spaß an der Arbeit hat.
Wichtig ist abschließend aber nochmals zu betonen, dass im Feld der digitalen Gesundheitsanwendungen noch viel Forschungsarbeit notwendig ist. Es gibt mittlerweile zwar einige wissenschaftliche Belege für die positive Wirkung digitaler Interventionen, insbesondere von begleiteten Interventionen bei Depressionen und Angststörungen. Viele Apps wurden bislang jedoch noch nicht ausreichend wissenschaftlich validiert.
Als sehr erfreulicher Schritt ist allerdings das seit Oktober 2020 online abrufbare „Digitale-Gesundheitsanwendungs-Verzeichnis“ (DiGA) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu werten. Hierin aufgenommene Anwendungen können von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet werden und werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet. Sobald eine Anwendung aufgenommen wurde, lassen sich freilich auch Rückschlusse über dessen Qualität ziehen, da ein Prüfprozess durchlaufen werden muss. Allerdings kann eine Aufnahme zunächst auch vorläufig für ein Jahr erfolgen, wenn seitens des Herstellers zunächst noch kein hinreichender positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden konnte. Um diesen Nachweis zu erbringen, dass sich der gesundheitliche Zustand eines Patienten oder die Möglichkeiten zum Umgang mit seiner Erkrankung durch die Benutzung der digitalen Anwendung verbessern, hat der Hersteller ein Jahr Zeit.
Wir halten Sie auf dem Laufenden.
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