Die Arbeit in Cockpit und Kabine ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Tätigkeit. Dies spiegelt sich auch im Rahmen von Invaliditätsversicherungen für Flugpersonal wider.
Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die medizinischen Anforderungen an diese Berufsgruppe hoch sind und fortlaufend erfüllt sein müssen. Schon bei den geringsten Anzeichen von physischen oder auch psychischen Problemen kann die Flugfähigkeit in Frage gestellt werden. Dies kann letztlich zu dem Verlust der erforderlichen Lizenz bzw. Berechtigung führen. Diese sehr hohen Anforderungen können auch dazu führen, dass ein Angehöriger dieser Berufsgruppe nicht mehr arbeiten darf, noch bevor eine Erkrankung es tatsächlich unmöglich macht der Tätigkeit nachzugehen. Somit ist das Risiko eines Versicherungsfalles bei diesen Berufsgruppen besonders hoch.
Insbesondere aufgrund dieser Besonderheiten stellt das Flugpersonal seit jeher ein sehr spezielles Risiko für Versicherer dar. Dieses Risiko könnte sich infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie noch weiter erhöhen. So erscheint es denkbar, dass die Anzahl der Versicherungsfälle in absehbarer Zukunft spürbar zunehmen wird.
In kaum einer Branche traten die dramatischen Auswirkungen der Pandemie so deutlich hervor wie in der Luftfahrt. Der extreme Rückgang von Fluggästen und die zugleich hohen laufenden Kosten führen zu einer existenzbedrohenden Lage für viele Fluggesellschaften. Es ist fraglich, ob und wann sich die Branche wieder umfassend erholen wird. So schätzt beispielsweise Eurocontrol, die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, dass erst im Jahr 2024 das Niveau des Flugaufkommens von 2019 wieder erreicht werden wird - sofern eine Impfung für Reisende im Sommer 2021 weitreichend verfügbar ist.1 Es gibt aber auch Vermutungen, dass sich die Luftfahrtbranche noch über einen längeren Zeitraum nicht erholen wird, da unter anderem die Anzahl der Geschäftsreisen infolge der fortschreitenden Unternehmensdigitalisierung merklich zurückgehen könnte oder Privatpersonen einen Urlaub in der näheren Umgebung zu schätzen gelernt haben. Einige Airlines erhielten zur Abwendung einer Insolvenz bereits umfangreiche finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite. Trotzdem wird beispielsweise die Lufthansa-Gruppe als größte europäische Fluggesellschaft (gemessen an der Mitarbeiterzahl) nach derzeitigem Stand die Zahl ihrer Angestellten von rund 138.000 (Ende 2019) auf knapp über 100.000 reduzieren.2 Hiervon dürfte auch Flugpersonal betroffen sein.
Diese besondere wirtschaftliche Lage von Luftfahrtunternehmen könnte auch Auswirkungen auf den Bereich der Invaliditätsversicherungen von Flugpersonal haben. So kann einerseits nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Pandemie mittelbar in negativer Weise auf die Gesundheit Einzelner niederschlägt. Physische und psychische Leiden können beispielsweise aufgrund fortwährender Existenzängste und sozialer Isolation entstehen oder vertieft werden. Da wie dargestellt die medizinischen Anforderungen sehr hoch sind, ist es möglich, dass in der Folge die notwendige Lizenz bzw. Berechtigung nicht weiter erteilt wird.
Anderseits ist auch denkbar, dass bei drohendem Arbeitsplatzverlust im Einzelfall eine Versicherungsleistung beantragt wird, obwohl die körperliche und seelische Verfassung noch keine Beeinträchtigung der Flugtauglichkeit vermuten lässt. Beide dargestellten Szenarien könnten letztlich zu einer Häufung teurer Versicherungsfälle führen.
Dabei könnten Schadensfälle innerhalb des Flugpersonals jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein.
Im Hinblick auf das Kabinenpersonal erscheint eine nur vorübergehende Berufsunfähigkeit als wahrscheinlich. Diese Annahme beruht darauf, dass diese bei einer vorübergehenden Berufsunfähigkeit in der Regel nicht den dauerhaften Verlust ihrer Flugberechtigung riskieren. Die Flugberechtigung wird in der Regel durch die jeweilige Airline erteilt. Bei ihrem Verlust – beispielsweise aufgrund einer angegebenen, schwer objektivierbaren Erkrankung - bedeutet dies also keine generelle Fluguntauglichkeit bei allen potenziellen Arbeitgebern. Ein erneuter Einstieg in die zuvor ausgeübte Tätigkeit als Teil des Kabinenpersonals wäre somit möglich, insbesondere sobald sich nach wirtschaftlicher Erholung der Luftfahrtbranche wieder neue Jobangebote auftun.
Anders ist das Risiko in Bezug auf das Cockpitpersonal zu bewerten. Hier ist zu berücksichtigen, dass Angehörige des Cockpitpersonals eine meist mehrjährige Ausbildung absolviert haben und in der Regel über keine anderweitigen beruflichen Qualifikationen verfügen. Folglich hängt ihre berufliche Tätigkeit von einer gültigen Fluglizenz ab, die durch eine gesundheitliche Einschränkung dauerhaft bedroht sein könnte. Anders als im Fall der Flugbegleiter werden die Lizenzen der Berufspiloten/-innen meist staatlich zentral verwaltet, sodass nach ihrem Verlust der Erhalt einer neuen Lizenz zusätzlich erschwert sein könnte. Ein angezeigter Schadensfall könnte somit dauerhaft erhebliche Auswirkungen auf die berufliche Zukunft eines Piloten/einer Pilotin haben. Dies hat zur Folge, dass gerade jüngere versicherte Personen darauf bedacht sein dürften, ihre medizinische Eignung nicht in Frage zu stellen. Hingegen wäre für versicherte Personen nahe dem Ruhestand ein dauerhafter Verlust der Fluglizenz weniger schwerwiegend, wenn eine Versicherungsleistung erwartet werden kann.
In der aktuellen Situation ist es essenziell, auch die Entwicklungen in der Invaliditätsversicherung für Flugpersonal genau zu beobachten, um schnell reagieren zu können. Die Gen Re verfügt über eine langjährige Erfahrung und umfangreiche Expertise im Bereich der Versicherung von speziellen Risiken, wie etwa der Invaliditätsversicherung für Flugpersonal. Diese umfasst insbesondere Aspekte der Risikoprüfung, Produktentwicklung, Prämienkalkulation sowie des Schadenmanagements.
Gerne beraten wir Sie zu dieser Thematik. Ihr Account Executive bei Gen Re freut sich über Ihre Kontaktaufnahme.
Endnoten
- https://www.eurocontrol.int/publication/eurocontrol-five-year-forecast-2020-2024
- https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/luftfahrtkrise-stellenabbau-bei-der-lufthansa-geht-schnell-voran-ausser-in-deutschland/26690942.html